214 Das nähere und genauere Hineinsehen in das Innere des Pflanzenleibes ist aber nicht so leicht. Wenn jemand denkt, er könne den Sitz des Lebens im Innern der Pflanze erkennen, wenn er ein¬ fach eine Pflanze in ihrem Stengel, oder in ihrer Wurzel, oder in ihrem Blatte aufschneidet und hineinblickt — nun. dann soll er es doch mal versuchen! Mit einem Taschenmesser ist das ja leicht zu machen. Und wenn er dies tausendmal versuchen sollte — er wird nichts Besonderes sehen oder gar entdecken! Das liegt an der Unvollkommenheit des menschlichen Auges. Schon durch ein einfaches Vergrößerungsglas sehen wir ein Sandkorn wie einen großen Stein vor uns, einen Floh wie ein Un¬ geheuer aus sagenhaften Zeiten. Stellen wir nun gar mehrere Ver¬ größerungsgläser übereinander oder untereinander, so wird das Sand¬ korn zum Himalayagebirge, und der Floh so groß, daß man ihn in seiner ganzen Masse auf einmal überhaupt nicht mehr überblicken kann, sondern nur noch einzelne Teile seines Körpers, die so widerlich aussehen, daß man sie kaum für Flohteile halten würde, wüßte man es nicht, daß ein Floh unter den Vergrößerungsgläsern liegt. — Eine solche Zusammenstellung von Vergrößerungsgläsern, die gleichzeitig gestattet, daß man die Gläser verschieben kann, nennt man ein Mikroskop. Und erst durch die Erfindung und vollkommene Verbesserung dieser Instrumente ist das menschliche Auge in den Stand gesetzt worden, in dem Innern des Pflanzenkörpers verschiedene Gebilde zu entdecken, lebende Pflanzen in ihren Verrichtungen zu beobachten und Ausschluß über das Leben der Pflanzen und seinen Sitz zu geben. Mit Hilfe dieser heute zu ganz bedeutender Vollkommenheit gebrachten Sehhilfsmittel haben wir gelernt, in jeder mehr oder weniger entwickelten Pflanze, sei es ein Baum, ein Strauch, ein Kraut, ein Gras oder ein Pilz, das Wohnhaus eines Lebewesens zu sehen, welches in den allereinfachsten und kleinsten Pilzen (Bakterien) allein oder nur zu wenigen, in den hochentwickelten und großen Baumsormen zu Milliarden den betreffenden Pflanzenkörper bewohnt. Die äußere Pflanzenform ' uns nur den Baustil des Wohnhauses, in welchem das plmiizuwe Lebewesen, von der Wissenschaft Proto¬ plasma genannt, seine Wohnung aufgeschlagen hat. Und diese Wohnung hat sich das außerordentlich winzige Lebe¬ wesen, Protoplasma, selbst in ähnlicher Weise gebaut, wie es die