140 30. Königtum und parlamentarische Regierungsform Scheindasein führt, wie in den Monarchien, wo die Volks¬ souveränität, oder wie in England, wo tatsächlich das Parla¬ ment die Herrschaft ausübt. In Preußen ist vielmehr das sogenannte monarchische Prinzip aufrecht erhalten worden; nicht so, wie es zur Zeit des Deutschen Bundes im Sinne des Absolutismus ausgebeutet worden ist, sondern in dem Sinne, daß die gesamte Staatsgewalt dem Recht der Jnne- habung nach in der Person des Staatsoberhauptes ver¬ einigt bleibt, daß keine Funktion der Staatsgewalt von dem monarchischen Mittelpunkt losgelöst werde. Nach der Ver¬ fassung steht es dem Monarchen jederzeit frei, innerhalb des ihm noch verbleibenden außerordentlich großen Macht¬ bereiches sich zu allen öffentlichen Angelegenheiten tätig, fördernd, einwirkend zu verhalten. Die Stellung als kon¬ stitutioneller Monarch verpflichtet keineswegs dazu, ledig¬ lich hinter der Wand der aufgestellten Minister unsichtbar zu bleiben. Es wird auch in Zukunft das gute Recht des preußischen Königs sein, Initiative in allen Dingen zu er¬ greifen, wie ihm gut dünkt, und mit der ganzen Macht der Persönlichkeit auf öffentliche Angelegenheiten einzuwirken. Die Frage der Opportunität ist eine politische und steht hier nicht zur Erörterung. Stier-Somlo II, S. 78ff. 30. Das preussische Königtum und die parla¬ mentarische Regierungsform Die preußische Verfassung weiß nichts von einer parla¬ mentarischen Regierung, sie weiß nur von einer königlichen Regierung, die in bestimmten, genau bezeichneten Punkten an die Zustimmung der Kammern gebunden ist; soweit nicht diese ausdrücklichen Beschränkungen reichen, ist sie Träger der vollen Staatsgewalt. Aber der Geist der Verfassung! Bestimmt nicht Art. 99: „Alle Einnahmen und Ausgaben des Staats müssen für jedes Jahr im voraus veranschlagt und auf den Staatshaus¬ halts-Etat gebracht werden. — Letzterer wird jährlich durch ein Gesetz festgestellt." und fügt nicht Art. 100 noch aus¬ drücklich hinzu: „Steuern und Abgaben für die Staatskasse dürfen nur, soweit sie in den Staatshaushalts-Etat aufge¬ nommen oder durch besondere Gesetze angeordnet sind, er¬ hoben werden"?