Das Deutsche Reich. Geschichtliche Entwicklung. Die deutsche Geschichte von 1815 bis 1871 ist vorzugsweise ein Ringen des deutschen Volkes nach freier zeitgemäßer Gestaltung des politischen Lebens in den Einzel st aaten und nach einer strafferen Einheit des ganzen Deutschlands. Am Ende der Periode sehen wir diese beiden Ziele im wesentlichen erreicht; in den deutschen Einzelstaaten — mit Ausnahme Mecklenburgs — sind Volks¬ vertretungen mit entscheidender Teilnahme an der Gesetz¬ gebung und an dem Finanzwesen in Wirksamkeit; an die Stelle des lockeren Deutschen Bundes ist ein kraftvolles Deutsches Reich getreten, ruhend auf dem erblichen Kaisertum im Herrscherhause des mächtigsten reindeutschen Staates, Preußen, und auf einer geregelten Mitwirkung einerseits der verbündeten Fürsten und Freien Städte, anderseits einer aus Volkswahlen hervorgehenden Vertretung der Nation. Die französische Kriegserklärung im Jahre 1870 traf unser deutsches Volk bereit, gemeinsam für Freiheit und Ehre zu kämpfen, und auf Frankreichs Schlachtfeldern erwuchs diesem Volke, durch Blut und Eisen geeint, das lang ersehnte neue Deutsche Reich. „Verschwunden war in der Erhebung der Nation, was dieselbe bisher trennte und zerriß." (Präsident Simson bei Eröffnung der Herbstsession des Reichstages 1870.) Die vier Jahre vorher im Bruderkampfe sich gegenüberstanden, sie kämpften nun Schulter an Schulter gegen den gemeinsamen Feind, zur Verteidigung des gemeinsamen deutschen Vater¬ landes. Schon im September 1870 hatte der König von Bagern die Anregung gegeben zu einem Anschluß der Süd- Kai, er. Bürgerkurde. 1