I. Allgemeine Staatslehre § 1. Entstehung des Staates. Seine Grundlagen. 1. Der Staat ist nicht ein künstliches, willkürliches Erzeuge nis, sondern er entsteht überall aus dem Wesen, der Natur des Menschen. Diese Erkenntnis lehrte schon Aristoteles, und sie ist jetzt allge- mein als die einzig richtige anerkannt. Bisweilen war jedoch diese Wahr¬ heit verdunkelt, so besonders im 18. Jahrhundert. Damals kam mit der „Aufklärung" durch Locke und Rousseau (contrat social) die V ertrags- theorie auf, nach der die Menschen sich auf Grund eines freien, jederzeit lösbaren Vertrages zu bestimmten Staaten vereinigt haben sollten; sie beherrschte die gebildeten Stände und führte zum sog. Weltbürgertum (Kosmopolitismus), von dem auch unsere großen Dichter nicht ganz frei sind. Aber bald wurde ihre Haltlosigkeit erkannt, und die geschichtliche Forschung unseres Jahrhunderts brachte die alte Wahrheit wieder zu unbestrittener Geltung. Der Staat und staatliche Ordnung ist also notwendig, und es ist eine ebenso leichtfertige als schlimme Behauptung, dies zu leugnen und von eineni Zustand der Anarchie zu träumen, in dem jeder Mensch ganz nach seinem Belieben und seinem Vorteile handeln könne. Der Mensch ist nämlich nach seiner Natur, die ihm der Schöpfer in seiner göttlichen Weisheit gegeben hat, ein geselliges Wesen. Jeder Mensch wächst innerhalb einer Familie auf; die Kinder be¬ dürfen einer aufmerksamen Pflege, sind viele Jahre lang weit hülfloser als die Jungen von Tieren und könnten ohne fremde Hülfe überhaupt nicht leben. Aber auch der Erwachsene ist, ganz allein lebend, ohnmächtig und bedauernswert. Menschliches Leben ist ohne die Familie gar nicht möglich. Infolge dieser geselligen Natur lebt der Mensch nie und Giese, Bürgerkunde. \