51 sächsischen Reiche, der besonders in wirtschastlicher Hinsicht sehr gefähr- lia- werden konnte, zu verhindern. Kurz, es wurde alles getan, um die unbedingte Friedensliebe Deutschlands m klarster Form zu heweisen. Wenn dies Bestreben deS neuen Reichskanzlers auch gebilligt werden kann, so sagen seine Gegner doch wohl mit Recht, daß er in seiner Friedfertigkeit — besonders England gegenüber — zu weit ging. Die Geschichte beweist doch, daß England stets seine Rebenbuhler nieder¬ gerungen hat — erst Spanien, dann Holland, Frankreich, Rußland —. Darum hätten wir ihm mit mehr Mißtrauen begegnen müssen. Erst zu spät sahen wir infolgedessen ein, daß es uns über seine wahren Absichten täuschte, urn uns m Sicherheit zu wiegen und desto leichter niederzuwerfen. Schon im August 1909 begannen die Verhandlungen mit England, aber sie waren vergeblich. Dagegen ha.Le sich Rußland scheinbar Deutsch¬ land wieder genähert. Kaiser Wilhelm tras sich mit dem Zaren in den Finnischen Schären (1909). Andererseits aber trat das schlechte Ver¬ hältnis Rußlands zu Österreich in scharfer Form dadurch zutage, daß der Zar unter dem Einfluß Zswolskis, um den König von Ftalien zu besuchen, einen großen Umweg machte, damit er nur nicht durch öster¬ reichisches Gebiet reiste. In R a c c o n i g i (in Ftalien) verständigten sich die beiden Herrscher im Oktober 1909 dahin, daß Albanien an Ftalien fallen solle, wenn es zu Änderungen auf dem Balkan kommen sollte. Wahrscheinlich wurden hier aber noch wichtigere Beschlüsse — Vorbereitung des Tripolis- und Valkankrieges — gefaßt, die uns noch nicht bekannt sind. Am 7. Mai 1910 starb König Eduard VII., der Schöpfer der Cin- kreisungspolitik. Ob er den Weltkrieg mit Deutschland gewollt hat oder es nur politisch so einkreisen wollte, daß es seinen Flottenbau einstellen und in allen großen Tagesfragen sich Englands Willen fügen mußte, ist noch nicht klar. Jedenfalls konnte seine Politik zum Kriege führen und hat den Weltkrieg heraufbeschworen. Mit seinem Tode schien das Haupthindernis einer Verständigung mit England entfernt zu sein; es zeigte sich aber bald, daß die Richtung der britischen Politik mit d^m Tode ihres Königs keine Veränderung erfahren hatte. Eduard VII. er¬ lebte ja das Ziel seiner Regierung nicht mehr, aber er hatte dafür ge¬ sorgt, daß sein Plan nicht mit ihm ins Grab sank. Fn England und im Ausland hatte er den leitenden Männern Geist von seinem Geist eingehaucht und klug die politischen Gegensätze benutzt, um eine Welt¬ verschwörung gegen die Mittelmächte anzuzetteln. Darum wird er mit Recht als Hauptschürer des Weltbrandes verflucht. Der belgische Baron Greindl schrieh mit Recht am 13. Februar 1909: „Cs kann keinem ent¬ gehen, daß der Weltfrieden niemals ernstlicher bedroht war, als seitdem der König von England sich damit befaßt, ihn zu festigen. Er versichert zwar stets, sein Ziel sei die Erhaltung des Friedens, das hat er aber seit Beginn des erfolgreichen diplomatischen Feldzuges immer gesagt, den er durchgeführt hat, um Deutschland zu vereinzeln." Der Minister Grey setzte, wie wir jetzt klar sehen, die Politik seines Herrn und Meisters listig und verschlagen fort.