So ist es jetzt; aber früher war es doch noch schlimmer. Und das lag vielleicht daran, daß die Deutschen Herren der Welt sein wollten. Wenn Franzosen oder Italiener oder sonst wer gegen Deutsche kämpfte, so waren das früher nicht „Ausländer", sondern sie waren nur ein anderer Teil des „Heiligen Römischen Reiches"; es war nur immer eine Partei, die gegen eine andere kämpfte; und so war es damals für den deutschen Welfen keine Schande, daß er mit Leuten zusammen, die wir jetzt für Ausländer halten, gegen andere Deutsche kämpfte. Aber was dabei herauskam, das war doch schließlich schlimm genug. Das Reich kam in immer größere Unordnung, und wenn man es recht genau nimmt, hat es eigentlich so etwas was wir jetzt Reich oder Staat nennen, viele Jahrhunderte hindurch bei uns gar nicht gegeben. Ja, es gab fast immer einen Kaiser, es gab Kriegszüge; ab und zu wurde einmal ein Fürst, der es gar zu schlimm getrieben hatte, abgesetzt; aber solche Neichsgesetze, wie jetzt, die in jedem Dorf gelten, wie in der größten Stadt, und die überall von der Polizei ausgeführt werden, die gab es gar nicht, und Stadt und Land lebten und arbeiteten für ihr tägliches Brot und wurden reich und wurden arm, wie es im Handel grade traf. und das meiste, was von Gesetzen nötig war, gaben sie sich selbst, und so haben unsere Vorfahren schlecht und recht, zum Teil aber auch recht gut gelebt; nur E i n i g k e i t des ganzen Volkes gab es nicht. Statt der Einigkeit hatten unsere Vorfahren nur ein Kaisertum, aber das Kaisertum hatte zwar viel Ruhm und Ehre, aber wenig zu sagen, und wenn der Kaiser gar einmal mit der katholischen Kirche schlecht stand, dann lief es mitunter sehr übel ab. So ging es das ganze Mittelalter durch. Und als dann die neue Zeit kam, als Amerika entdeckt wurde, d. h. als europäische Seefahrer da hinüber kamen und dann bald um die ganze Erde herumfuhren, so daß allmählich alle Völker, die es auf der Erde gibt, mit einander bekannt wurden und, wenn auch sehr langsam, anfingen, mit einander zu verkehren, da wäre es für die Deutschen Zeit gewesen, sich zusammenzutun und als ein einiges Volk die neue Weltgeschichte anzufangen. Wenn es damals einen wirk¬ lichen deutschen Kaiser und ein wirkliches deutsches Heer und eine deutsche Flotte gegeben hätte, dann hätte die Weltgeschichte anders aussetzn können. Aber so gut wurde es dem deutschen Volke nicht. Zur selben Zeit brach in Deutschland der R e l i g i o n s st r e i t aus, und nun 8