4 Staatslehre. Bildung zur Erfüllung dieser Aufgaben beitragen und auch zur Mitarbeit am Staats- und Gemeindeleben bereit fein. Er soll Nächstenliebe betätigen, den Wert jedes Berufsstandes würdigen, den Wert jeder Arbeit schätzen, mag sie äußerlich auch noch so gering erscheinen, und das Wohl des Ganzen jederzeit seinem Ich voranstellen. Dann wird sich auch ein um so gedeihlicheres öffent¬ liches Leben entwickeln. A. Das Deutsche Reich. Das Deutsche Reich umfaßt rund 540000 qkm und zählt zur Zeit über 62,5 Millionen Einwohner. Bis zum Jahre 1806 bestand das alte im Mittelalter entstandene Deutsche Reich, welches sich auf die meisten Gebietsteile des jetzigen Deutschen Reichs und außer diesen vor allem auch auf Oesterreich, dessen Herrscher- Deutscher Kaiser war, erstreckte. Die Oberhoheit des damaligen Kaisers war im Laufe der Jahrhunderte jedoch fast ganz verloren gegangen; ferner hatte sich eine große Zahl kleiner und kleinster selbständiger Staaten gebildet. Sie betrug gegen Ende des 18. Jahrhunderts etwa 300. Die Folge war Deutschlands Ohnmacht gegenüber Napoleon I. Auch der im Anschluß an die Freiheits¬ kriege im Jahre 1816 gebildete Deutsche Bund, ein Staatenbund, war von nur lockerem Gefüge. In dessen Zentralorgan, dem Bundestag in Frankfurt a. M., führte Oesterreich den Vorsitz. Immerhin bedeutete die Aufhebung der Kleinstaaterei schon einen Fortschritt. Die Ereignisse des Jahres 1866 veranlaßten Oesterreich, seine großdeutschen Bestrebungen fallen zu lassen, und Preußen übernahm, unter Ausschluß von Oesterreich, die Bildung des Norddeutschen Bundes. In diesem erkennen wir die Grundlagen unseres jetzigen, fest in sich geschlossenen Deutschen Reiches. Letzteres entstand während des Krieges 1870/71 durch Anschluß der süd¬ deutschen Staaten an den Norddeutschen Bund, dessen Verfassung diese Aufnahme schon vorgesehen hatte. Besiegelt wurde die Grün¬ dung des Deutschen Reiches durch die am 18. Januar 1871 zu Versailles erfolgende Proklamation des Königs von Preußen zum Deutschen Kaiser. Zum Deutschen Reich gehören 26 Einzelstaaten, nämlich die vier Königreiche Preußen, Bayern, Sachsen und Württemberg; die sechs Großherzogtümer Baden, Hessen, Oldenburg, Mecklenburg- Schwerin, Mecklenburg-Strelitz und Sachsen-Weimar; die fünf Herzogtümer Braunschweig, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha und Anhalt; die sieben Fürstentümer