112 II. Bilder aus der Natur die ungeheuren Schwärme, die jährlich aus dem Meeresschosse aufsteigen, an allen Küsten des nördlichen Europas erscheinen, zu Milliarden ge¬ fangen werden, zu Milliarden der Gefräßigkeit der Raubfische und Vögel erliegen und doch immer wieder in derselben zahllosen Fülle zum Vorschein kommen! Mit wunderbarer Regelmässigkeit erscheint und verschwindet er. An der Küste von Norwegen erscheint er jährlich dreimal; aber der Hauptfang geschieht im Februar. Es ist dies die Frühlingsfischerei; sie liefert die grösste Menge und die fetteste Art des Fisches, den soge¬ nannten Frühlingshering. Der Fang geschieht vornehmlich an dem Küstenstriche zwischen Bergen und Stavanger, am Eingänge des grossen Bukkefjord. Auf diesem Raume versammeln sich im Februar wenigstens 2000 Böte, die mit 12 000 Fischern bemannt sind. Diese begeben sich auf die Inseln hinaus, mieten Plätze und Hütten und thun sich in Ge¬ sellschaften zusammen. Gewöhnlich bilden zwei Kähne, jeder mit fünf, sechs Mann besetzt, eine solche Gesellschaft. Zwanzig bis dreifsig Ge¬ sellschaften vereinigen sich dann zu einer Jacht, deren Besitzer ein Kaufherr, die oberste Leitung führt. Der Kaufherr schiefst dafür den Fischern vor, was sie brauchen: Gerät, Leinen, Segelwerk, Netze und Lebensrnittel auf zwei bis drei Monate. So gerüstet erwarten die Fischer die Heringsschwärme, denen sie ungeduldig bis ins Meer hinaus entgegen¬ fahren, mit begierigem Auge den aus der Ferne leuchtenden silberblauen Schimmer erspähend. Noch ehe jedoch die Stunde schlägt, melden schnelle und gewaltige Wächter das Nahen des Zuges. Einzelne Wale streichen an der Küste hin, schnauben und sprudeln mit ihren Nüstern und werden von den Fischern mit lautem Jubel begriffst. Dann jagen sie zurück zu ihren Ge¬ fährten und helfen ihnen den geängsteten Hering rascher gegen die Küste treiben, wo sich dieser in die Schären zwischen die Inseln und Klippen drängt und, um den grimmigen Feinden draussen zu entkommen, anderen, noch schlimmeren Feinden in die Hände fällt. Denn hier halten die Fischer mit ihren Netzen. Zuerst kommen die Fische einzeln, bald aber in so dichtgedrängter Masse, dass sie Fischberge bilden, die oft bis auf den Grund des Meeres reichen und durch ihren Druck die Böte hoch über das Wasser heben. Die Fischerei selbst geschieht auf zweierlei Art, mit Netzen und mit Angeln. Der Fang mit Netzen ist der üblichste und wohl auch der gewinnreichste. Hat nun der Fischer die Netze oder Angeln gezogen und sein Boot mit Fischen gefüllt, so eilt er damit ans Land zurück, wo sie dem Kaufmann zugezählt und überliefert werden. Schaluppen stehen bereit, in deren Raum die Fische geworfen werden; und sobald die Fahrzeuge gefüllt sind, eilen sie nach Bergen. Dort nun eröffnet