64 Herder. Knaben, so daß dieser gleichsam nicht Zeit habe, auszuschweifen oder müßig zu sein. Aus der Seele des Lehrers teilt sich dieses Feuer mit und ver¬ breitet sich wie eine elektrische Kette auf die Edeln und Fleißigen zuerst, von diesen endlich auch auf die Trägen und Dummen. Sobald jeder siehet, daß 5 er nicht unbemerkt bleibet, sobald er gewahr wird, daß zwar nie etwas Un¬ rechtes von ihm gefodert, ihm nie etwas, was er nicht wissen oder tun konnte, unbillig zugemutet werde, daß man ihn: aber auch nichts nachsieht und daß sein Unrecht zu rechter Zeit, zwar mit schonender Hand, aber dennoch ans klare Licht kommt: so wird er sich endlich wohl hüten lernen und unter 10 die Ordnung schmiegen. Gelingt es dem Lehrer nun gar, daß er neben der stillen Liebe zur Wisseuschaft auch öffentliche Ehre unb Nacheiferung in seine Klasse zu bringen weiß, so stellen sich Zucht und Ordnung von selbst dar. Ein Wort, ein Blick, ein leiser Wink von ihm wird mehr ausrichten, als hundert Scheltworte und anfahrende Sittenpredigten, über die man sich aus i5 Gewohnheit hinaussetzt oder die müßig ums Ohr sausen. Glücklich ist der Lehrer, der das Herz seiner Schüler in seiner Hand hat und es lenken kann, wohin er will. Glücklich ist der, den: sie folgen, selbst wenn sie auch noch nicht wissen, warum er sie dieses Weges führe. Glücklich, wen sie an seinen: Geburtstage wirklich mit Bändern der Liebe so binden. Freilich liegt bei dieser schönen Gabe, Zutrauen und Liebe zu er¬ wecken, oft eine glückliche Natur zugrunde; vieles aber und das meiste rührt doch davon her, nicht wie man ist, sondern wie man sich beträgt, wie man denkt und handelt. Wer seines Stands oder Geschäfts müde ist, wer sein Amt, mit der Jugend umzugehen, als eine beschwerliche Last träget, Lb den: ist der schönste Segen entnommen, den uns die Vorsehung zuteilen kann, nämlich, an unserer täglichen Arbeit Freude zu haben und au ihr immer selbst als Jüngling zu lernen. Dies ist der gute Geist, den jener König im Psalm sich erbittet, der freudige gewisse Geist des Lebens. Er stärket sich in seinen: Geschäft durch Gewohnheit, nimmt mit den Jahren eher so zu als ab, arbeitet nicht um Lohn oder Ehre und empfängt beide um so sicherer und reiner, weil er nicht für sie arbeitete, weil er nicht an sie dachte. Vorzüglich ist er ein Geschenk würdiger Schullehrer gewesen, wie die gelehrte Geschichte deren eine große Reihe zu nennen weiß. Dem Neide und der glänzenden Welt verborgen, lebten sie desto glücklicher im Kreise junger 35 Menschen, an deren Blüte sie sich freuten und die ihnen auch im grauen Alter noch etwas von ihrer Munterkeit, ihren: emporschießenden Leben mitzu¬ teilen schienen. Von diesen geliebt und verehrt, waren sie auch in ihrer Armut glücklich, in ihrer täglichen Geschäftigkeit vergnügt und durch eine stille Ge¬ wohnheit, Gutes zu tun und zu lehren, allenthalben das llonogtum ihren 40 Schülern beliebt zu machen und sich an jedem Fortschritt derselben zu erfreuen, gesund und heiter. Bald ward es denn ein schöner Lohn für sie, die als Erwachsene in Ehrenämtern zu sehen, denen sie als Jünglingen schon Liebe und Achtung bezeigt und eben durch diese Achtung, oft nur durch ein stilles Wort, das diese Achtung mit Freude und Hoffnung ausdrückte, andern Mit- 45 schülern unbemerkt, einen unauslöschlichen Funken in sie geworfen hatten, der