116 Zeit der Reife: Epische Dichtung. ich meine aus dem Adel, hinaufgestiegen waren. Wollen sie sich noch nicht daran erinnern lassen, auch jetzt nicht, nachdem die Philanthropen und andere häßliche und kleine Affen es ihnen nachgemacht und den Brei und Sumpf zugerichtet, darin alles Feste, Edle und Gute untersinkt, nun so 5 komme es über sie, daß sie im Schlamme Mit versinken und, wenn nicht Gottes Zornrute sie spaltet, die Erde ein Ball voll dicken Schimmels wird. — Das gibt uns aber kein Recht, daß wir nicht, jeder, was an ihm, seine Schuldigkeit tun, um diese Säule, die Gottes Ordnung auf Erden ist, zu erhalten. Und wer da nur einen kleinen Finger nachgibt, gibt auch die 10 Hand, und bald ist er mit Leib und Seele hinübergezogen. Das ist die ständische Gliederung, daß zusammenhalten soll, was Gott zusammen schuf; daß wir nicht Brücken bauen, wo er die Erde durch Meer und Berge zerriß und die Felsen geklüftet hat. Jeder Stand muß auf sich halten und seine Ehre für sich haben, wenn sie auch den anderen eine Torheit dünkt, i5 und beit Philosophen und Philanthropen voran. Das ist auch eine Ehre. Ich, wohlan, mein Herr, will an dieser Säule nicht rütteln, zum wenigsten aus Sentimentalität; und läge sie auch in Trümmern, will ich auch auf denen stehen, bis sie mich drunter begraben. Kennen Sie Festeres, Theolog?" so „Den Geist Gottes, der über den Wassern schwebte, als er die Welt schuf, den Geist Gottes, der noch heute über die Schöpfung weht wie am ersten Tage. Dieser Geist ist Bewegung, rauschend wie das Wasser, sprühend wie das Feuer, ewig neu schaffend, wie die Erde in jedem Früh¬ jahr ihre Scholle neu auswirft und neu sich kleidet. Gottes Odem weht, 25 atmet in dem, den er sich zum Ebenbilde schuf, den er nicht an die Scholle kettete wie Strauch und Baum, den er frei aussetzte in seine Welt, nicht, wie das Tier, dem Triebe zu folgen, sondern dem Lichte seiner Vernunft. Was ist denn auf der Erde, wie es war? Und wer hat es anders gemacht? Wer hat Brücken über die Meere geschlagen, wer Wüsteneien in Gärten so verwandelt, wer den Nordpol mit dem Südpol verbunden, als der Mensch! Sein Treiben ist rastlos, und jeder Schritt, jeder Gedanke, ob er sich zu den Sternen schwingt oder in die Tiefen der Erde dringt, ist eine Be¬ wegung, die Altes zerstört, um Neues zu bauen. Was ist fester als der Wandel? Wandel und Fortbewegung ist sein Gesetz in der Körper- und 35 Geisterwelt, und der große Prozeß seiner Offenbarung auf dieser Erde heißt Geschichte. Da rauscht er hin in Strömungen, die keines Menschen Weisheit berechnet, zeitlos, maßlos. Die Nationen gehen wie Inseln im Strome unter, um neuen Platz zu machen, und in einem Atemzuge der Ewigkeit — was kümmert es ihn, daß wir sie Jahrhunderte nennen — 40 sind die verschwunden, spurlos, vor deren Namen der Erdkreis bebte. Wer setzt der Geschichte Schranken und Ziel? Wer spricht: bis hierher und nicht weiter! Wer vermißt sich zu sagen: das war unrecht, das recht — vor ihm, der die Unschuldigen zertreten werden ließ und die Schuldigen triumphieren! Wo mißt der Maulwurf die Höhe eines Kirchturms? Und 45 wir mit den Maulwurfsaugen sollen messen, wie hoch die Alpen sich