314 Köpfen von heute spukt; daß man bei ihnen im Gegenteil die klarsten, leuchtendsten und durchsichtigsten Töne findet, wie wir sie kaum je er¬ reichen. Allerdings bevorzugten die Alten das dunkle Bild; doch müssen wir ihnen darin fast recht geben, nachdem wir gesehen haben, wie wenig die hellen Bilder zu unsern hellen Jnnenräumen passen und um wieviel geschlossener die Bildwirkung meistens durch tiefe Töne wird. So ist heute das Problem des Pleinair in der eigentlichen Kunst ganz aus der Interessensphäre gerückt und hat höchstens für das Studium noch besondere Bedeutung. 3. Doch der wichtigste Punkt der gewonnenen Erkenntnis ist der, daß man sich über die verschiedenen Funktionen der Kunst wieder klar wird, daß man die Eigentümlichkeiten jeder einzelnen Kunstform wieder studiert und mit ihnen rechnet. Die Naturstudie verliert ihre angemaßte Stellung als abgeschlossenes Kunstwerk; man fängt an, zu begreifen, daß die dekorative Kunst, die monumentale Malerei mit ihr nichts zu tun haben, wie über¬ haupt jede Kunstform anderen Gesetzen unterworfen ist. Es ist wohl richtig, daß unsre Zeit, unsre Gefühle, unsre Weltanschauung zum Teil andre ge¬ worden sind und daher auch der Geist, der in unsern Bildern lebt, zum Teil ein andrer sein muß als bei Dürer oder Tizian. Aber noch genau wie in der Zeit der Renaissance leben wir in Häusern, die in Zimmer eingeteilt sind, und wir hängen in diesen Zimmern Bilder auf, die wir mit Rahmen umschließen. Das alles ist unverändert, unverändert ist der Begriff der Bildwirkung, — und den natürlichen Gesetzen dieser Bild¬ wirkung müssen wir uns unterwerfen. Deshalb beginnt auch unser heutiges Kunstschaffen wieder die natürlichen Gebiete mit ihren besondern Eigen¬ tümlichkeiten anzuerkennen. Das Tafelbild geht auf seine angemessene Größe zurück. Die riesigen naturalistischen Ausstellungsbilder, die ihren Daseins¬ zweck allein der Ausstellung verdankten und überall sonst ein verlornes Dasein führten, verschwinden. Man hat begriffen, daß für das Staffelei¬ bild das kleinere Format das natürliche ist und daß das monumentale Bild einen andern Stil erfordert, als ihn der Naturalismus so einfach bestimmen zu können glaubte. Wenn man aber die Form des Tafelbildes wählt, bringt man es nicht mehr fertig, es sich losgelöst von allen seinen Beziehungen zu denken, sondern empfindet es in seinem Verhältnis zum Raum, zur Wand. Man paßt sich den Bedingungen für Jnnenräume und deren Wände an und verlangt nicht mehr vom Bewohner des Hauses, sich mehr oder minder interessante Experimente ohne Bildstil an die Wände zu hängen. Denn das dekorative Moment beim Staffeleibild ist nicht so un¬ wesentlich, wie man lange Zeit angenommen hat, und sogar auf minder¬ wertigen alten Bildern ist den dekorativen Forderungen mustergültig Rech¬ nung getragen.