132 — Der leitet seinen Sohn gemach zu solchen Sachen: Bald lernt er frembde Schrifft und falsche Siegel machen, Verschwärt ein theures Pfand, sticht arme Wäisen auß, Nimmt, was gestolen ist, umb halbes Geld ins Hauß. Verfelscht ein Testament, beschneidet an den Kanten Das allerbeste Gold, gibt Glaß für Diamanten, Für Pfeffer Mäusedrek, tuht einen guten Satz Der Silbermüntze zu, besucht den Kirchenschatz In stiller Gottesfurcht, geht zu gemeinen Säcken: Ein erbar Angesicht kan alle Possen decken, So lang es Gott gefält, so lange der noch schweigt Der alles heimlich sicht und offenbarlich zeigt. Siehstu, wohin der Geitz ist endlich außgeschlagen? Siehstu, was deine Lehr für Früchtlein hat getragen? Weiß er das Schuelrecht kaum, er wil schon Meister seyn, Gibstu ein Handbreit nach, er nimmt bey Ruten ein. Diß Feur hastu geschürt, nun schlagen alle Flammen Auch über dich, du Narr, und deinen Kopf zusammen. Gleich wie ein junger Leu die Zähne grimmig beist, Und, wenn er wütend wird, den Meister selbst zerreist. Die Runtzeln des Gesichts, der Schnee der grauen Haare Gibt reichlich zu verstehn, daß deines Lebens Jahre Nicht schlechter Anzahl seyn, daß du schon Berg hinab Mit schwachen Füssen gehst und eilest in das Grab. Noch gleichwol kan dein Sohn des Endes nicht erharren, Begehrt dich lieber heut als morgen einzuscharren. Und ob er sauer sicht, kein Trauren ist gemeint, Weist du nicht, daß man auch für Freuden offtmals weint? Drum sich dich eben vor, daß in dem güldnen Becher Der Tod nicht etwa sey, der bleiche Hertzenbrecher: Ersuch Archigenes und einen guten Rath, Und nimm beyzeiten ein, was etwa Mitridat Verlängst hat zugericht, das laß zuvorne sinkken, So du noch wilt den Most vom neuen Kälter trinken. Christian Gryphius. (1649- 1706.) Auf des jungen Herrn von T. Geburts-Tag. Ich habe nicht gar viel zu sagen, Das Spielwerck muß sich auch verliehren, Weil bey den heissen Sommer-Tagen Weil solches Unkraut beym Studieren Die Dinte fast vertrocknet ist. Als wie die Tresp' im Weitzen grünt. Drum nimm vorlieb, beliebter Knabe, Mit einer gantz geringen Gabe, Die meine Pflicht dir anserkiest. Hier wirst du tausend Wörter finden, Die, wenn sie dir im Kopffe stünden, Wohl angewendet solten seyn: Ich bringe dir ein Buch zum lernen: Doch wenn du täglich eins begreiffest Mit Zucker und mit Mandel-Kernen Und nicht mit den Gedancken schweiffest, Ist dir wahrhafftig nichts gedient. So trifft mein Vorsatz richtig ein.