y Fast noch grösserer Verstösse gegen die oben angeführten Sätze als die Litteraturgeschichten macht sich eine grosse Anzahl der vor¬ handenen Kommentare und sogenannten Schulausgaben unserer Klassiker (wenn letztere nämlich mit Anmerkungen versehen sind) schuldig. Da giebt es logische, grammatische, mythologische, kunst¬ geschichtliche, philosophische, ästhetische, historische, kritische u. s. w. Erklärungen und Erörterungen, dass es eine wahre Lust oder, richtiger ausgedrückt, ein rechter Jammer ist, weil nämlich dem Schüler dadurch das Nachdenken vollständig erspart wird, und er nur nachzusprechen braucht, was die Kommentare ihm vorsprechen. Für den Lehrer, sowie für die Privatlektüre solcher Schüler, welche durch tüchtigen Unterricht bereits gelernt haben, ein klassisches Werk selbständig zu studieren, mögen manche Kommentare und Schulausgaben gute Dienste leisten, aber in die Schule gehören sie nicht. Ich dulde nie, dass einer meiner Schüler etwa die Nau- mannschen „Schulausgaben ausgewählter klassischer Werke“ mit in die Unterrichtsstunden bringt. Es herrscht ein ganz anderes Leben in der Klasse, wenn alles durch gemeinsame Anstrengung des Lehrers und der Schüler erarbeitet wird, wenn jeder der letzteren das deutliche Bewusstsein hat, dass nur das in den Augen des ersteren Gnade findet, was ein Produkt eigenster Überlegung ist und sich auf Gründe, und wären es auch falsche, stützen kann. Dazu kommt, dass die Bedürfnisse und individuellen Verhältnisse der einzelnen Lehranstalten und innerhalb derselben wieder die der einzelnen Klassen so verschiedenartig sind, dass kein Kommentar allgemein Verwendbares zu bieten vermag. Soll ein Kommentar geschaffen werden, so müssen ihn meiner Ansicht nach die Schüler unter Anleitung des Lehrers selbst machen. Die dabei etwa auf das Schreiben verwendete Zeit wird reichlich ersetzt durch den Lohn, den jedes selbständige Arbeiten unfehlbar mit sich bringt.*) *) Wer eine recht deutliche Anschauung davon gewinnen will, wie die Ansichten über Auswahl und Behandlung litteraturgeschichtlicher Stoffe auf höheren Schulen sich noch principiell entgegenstehen, der lese die hierher gehörigen Abschnitte in Karl von Räumers „Geschichte der Pädagogik“ und vergleiche damit das Buch von Laas, Der deutsche Aufsatz in den oberen Gymnasialklassen, 2. Aufl. Berlin 1877 und 1878. Bei Baumer heisst es unter anderem: „So soll also wirklich gar nichts an den bezeichneten Meisterwerken den Schülern erklärt werden? Aufrichtig gesagt, bin ich der Meinung, dass diese Dichtungen ihre grosse und wesentliche Bestimmung erfüllen, auch ohne dass man ein Wort an ihnen erklärt. Empfängliche Schüler werden nach vollendeter Vorlesung still und schweigend nach Hause gehen, erfüllt von den grossen Gestalten und mächtigen Geschicken“ u. s. w. Laas dagegen bringt im Anschlüsse an Dichtungen und Dichter eine solche Überfülle von Material, dass man wohl behaupten darf, mancher Professor würde sich glücklich schätzen,