1 — 139 — 102. Das Interregnum, 1250—1273. Von L. Bender. Die deutsche Geschichte. 5. Aufl. Essen 1876. S. 99. Das Interregnum (Zwischenreich) ist die Zeit, in welcher Deutsch¬ land ohne Haupt war — dreiundzwanzig schreckliche Jahre. Denn es beginnt schon mit Friedrichs II. Tode. König Konrad war ja in Italien und also für das Reich nicht mehr vorhanden, und der Gegenkönig Wil¬ helm von Holland, ein Sklave der Priesterpartei, war so machtlos und verachtet, dass er für nichts galt. Als dieser hei einem Einfalle in West¬ friesland, indem er im Eise eines gefrornen Morastes versank, über den er setzen wollte, erschossen worden war 1256, wählten die geistlichen Fürsten an seiner Statt zwei Könige — der Erzbischof von Köln den Bruder des Königs von England und Friedrichs II. Schwager, Herzog Richard von Cornwall, und der Erzbischof von Trier den König Alfons von Castilien, dessen Mutter eine Tochter Kaiser Philipps gewesen war; beide hatten sich mit vielem Silber und Gold um die Krone beworben (Alfons hatte 20,000 Mark Silber, Richard 82 Tonnen Goldes geschickt), und wurden abwesend zu Frankfurt gleichzeitig, der eine in, der andere vor der Stadt gewählt. Aber Alfons hat nie Deutsch¬ land gesehen, und Richard sich wenig darum bekümmert, da er zu Hause übergenug zu thun hatte. Und das war den Grossen eben recht, wie auch Walther von der Vogelweide sagt: Alle fürsten lebent nu mit ören, wan der höchste ist geswaechet. daz hat der pfaffen wäl gemachet; daz si dir, suezer got, gekleit. Keinen deutschen Fürsten hatte nach der so verhängnisvollen Kaiser¬ krone gelüstet; jeder, der geistliche, wie der weltliche, dachte nur daran, sich in seinem Gebiete unabhängig einzurichten und sein Gebiet zu er¬ weitern, während der überaus zahlreiche niedere Adel auf seinen festen Burgen, die auf steilen Felsen ragten, meist zügellos „von Stegreif“ lebte und alle Strassen und Dörfer unsicher machte. Friedrich II. hatte alle seine Hausvasallen in Schwaben und Franken reichsunmittelbar gemacht und so einen neuen Zweig des Adels „die Reichsritterschaft“ geschaffen, die bei oft sehr geringen Mitteln mit ihrer höhern Würde grössere An- massung und Begehrlichkeit verband und sich, undankbar genug, an dem hohenstaufischen Gut bereicherte. „Blind waltete der eiserne Speer, und kein Richter war mehr auf Erden!“ Es galt kein andres als das Faust¬ recht; jeder half sich, wie er konnte. Am meisten litten die Bewohner des flachen Landes, die Bauers¬ leute, zumal in den Gegenden, wo sie Leibeigene waren. Und Leib¬ eigene, besonders geistlicher Herren, waren viele freie Hofbesitzer schon seit dem neunten Jahrhundert geworden, teils aus Zwang und Not, teils, um sich dem lästigen Heerbann zu entziehen, freiwillig, denn alsdann waren sie nicht waffenfähig. Aber sie fühlten bald das schwerere Joch der Knechtschaft, und manchen von ihnen gelang es, sonderlich in den Kreuz- i