43 nicht durch Bildung veredelt, darum roh und häßlich. Nur der gelehrte Pedant, Fausts Famulus, nimmt ein Aergerniß, wenn er die Bauern in Gottes freier Natur das Leben natürlich genießen sieht und anders als sein Ideal ihm vormalt, und sieht in dem Singen, Schreien, Kegelschieben nichts als Roheit, da wo sein tiefsinniger Lehrer, deß Herz nicht zu, deß Sinn nicht todt ist, sich erst wahrhaft als Mensch fühlt Wo die Natur mit der Sittlichkeit zusammen stimmt, da ist sie Natürlichkeit, und nur da, wo ihre Veredelung sich mit Recht fordern läßt, nur da erscheint die nackte Natur als Roheit. In alle Wege bleibt der unveredelten Natur ihr Rang und ihre Schönheit neben der Bildung gesichert; und wie wir ein unzeitiges oder unglückliches Streben nach ihrer Veredelung als Un— natur und Verbildung streng verdammen, so kleidet es den wirklich Ge— bildeten gar wohl, wenn er in Stunden heiterer Laune und besonders im Angesichte der Verbildung oder Afterbildung seine Bildung verleugnet und zur natürlichen Natur zurückkehrt. Und wo hat diese echte Bildung ihren Wohnsitz, im Kopf oder im Herzen? im Geist oder im Gemüth? In keinem von beiden, weil in beiden zugleich, oder vielmehr in der ganzen Menschen— seele, welche, von Gott und der Natur als ein untheilbares Ganze ge— schaffen, erst von dem Menschen, von dem Philosophen für seinen Ge— brauch zerstückelt wird, auf daß er die Theile, Geist und Gemüth, in seiner Hand habe. Die Klugheit, das wissen wir, herrscht erleuchtend im Haupte; die Liebe, das fühlen wir, ruht erwärmend im Herzen; aber die Bildung verlangt und erzeugt gleichviel Licht und Wärme und fordert einen harmonischen Zusammenklang von Geist und Gemüth. L Dolein I. Wunderbar ist der Mensch auf die Grenze zweier Welten gestellt. Durch seine sinnliche Natur der Welt der Erscheinungen angehörig, wan— delt er mit den Thieren, schwächer als die meisten der Thiere, hülflos und ohne leitenden Instinct; während das, was in ihm denkt, das, was ihm gebietet, wenn es gilt, jedes irdische Gut zu verschmähn, ja das Leben selbst für nichts zu achten, ihn den Schranken der Sinnelwelt entreißt, und ihm einen Platz in der Götterwelt, als seiner eigenthümlichen Heimat, anweist. Diese beiden Naturen — die eine voll zügelloser Ansprüche, welche sich jeden Augenblick dreist hervordrängen; die andere mit einer unbeugsamen Würde ausgerüstet — scheinen auf eine unverträgliche Weise gepaart, und von dem Augenblicke ihrer Paarung an scheint das Urtheil eines eben so heillosen, als unversöhnlichen Zwistes über sie ausgesprochen. Und so zeigt sich auch die Natur bei denen, welche der rechten Bildung ermangeln. In ewigem Zwiespalte mit sich selbst klagen sie die Laune der Gottheit an, die ihnen heftige Triebe gegeben, aber neben dieselben eine trotzige Zuchtmeisterin gesetzt habe, welche ihr Befriedigung untersage; und so ge— schieht es denn oft, daß sie, den innern Krieg zu schlichten verzweifelnd, sich entweder der Uebermacht der Begierden preisgeben, oder einer tyran— nischen Vernunft das Recht verleihen, jeden Anspruch des sinnlichen Trie— bes zu unterdrücken und auszurotten. 28*