351 meine in Rippach gemachten Bekanntschaften, und sahe meine Ankunft für ein Glück an. Kurz, ich nützte mein Ansehen, und schrieb (an wen dächten Sie?) an den Rittmeister K**, und bat, daß er keine solche tyrannische Husaren mehr nach Bonau schicken sollte, wenn er mich anders lieb hätte. Ich hoffte von diesem Briefe gute Wirkung. Vielleicht kann auch einmal ein demüthiger und friedfertiger Schriftsteller eine Dame beschützen, die alle Landstände vor solchen Anfällen nicht würden schützen können. Sie hat sich, da sie nicht mehr in Furcht ist, größtentheils erholt, und mir selbst be¬ fohlen, es Ihnen zu melden, in welcher Gefahr sie bisher seit vier Wochen gewesen ist. Dies habe ich nun, däucht mich, sehr treulich gethan. Jetzt will ich also spazieren gehen, und wünschen, daß keine Husaren wieder kommen. Leben Sie wohl! Gellert. Bonau, den 13. Mai 1760. Charitas an Rabcner.*) Mein Herr! Das ist der erste Brief, den ich in meinem Leben schreibe. Ich bin ein Mädchen von 3—400 Wochen. Vor etwa drei Monaten habe ich angefangen schreiben zu lernen. Man sagt, ich schreibe für die kurze Zeit, da ich gelernt habe, recht hübsch. Es wäre mir lieb; doch möchte ich mich nicht gern be¬ trügen. Sie sollen Richter sein. Belieben Sie Ihre Gedanken darüber nur einigen Ihrer guten Freunde zu sagen, so will ich sie bald erfahren. Schmeicheln Sie mir nicht. Erfahren sollen Sie aber auch nicht, wer ich bin, bis ich gehört habe, wie Ihr Urtheil ausfallen wird. Verzeihen Sie meiner Freiheit. Ich bin Ihre Dienerin und heiße mit dem Vornamen Charitas. Nabencr an Charitas. Dresden, ven 9. December 1757. Recht schön, meine artige kleine Correspondentin, allerliebst schön schrei¬ ben Sie. Ganz gewiß müssen Sie sich in Ihrer Zeitrechnung geirrt haben; denn unmöglich kann ein Mädchen von 400 Wochen so richtig und so schön schreiben. Aber ich besinne mich, das schöne Geschlecht braucht kaum so viele Monate, wie wir Mannspersonen Jahre brauchen, recht gut oder recht schlimm zu werden. *) Gest. 1771 als Obcrsteucrrath in Dresden. Die Veranlassung dieser und mehrerer andrer Briefe beider Personen ist folgende: N. war oft in einer ange¬ sehenen Familie, in welcher sich ein paar junge Mädchen befanden. Diese kamen auf den Einfall, mit ihm unter dem erdichteten Namen Charitas und Barbara einen Briefwechsel anzufangen. Anfangs merkte er nicht, wer die Verfasserinnen waren. Als es ihm endlich ein Zufall entdeckte, setzte er dennoch eine Zeit lang den Briefwechsel in demselben Tone fort, bis er eine Erklärung für gut fand.