82 Zur Charakteristik der antiken Kulturwelt. eine eroberte Stadt, deren Mauern zerstört, deren Hallen, Theater und öffent¬ liche Gebäude verbrannt, deren Verteidiger umgekommen seien; nur unter den Trümmern sehe man noch ein paar Alte, ein paar Kinder stehen. Bald waren auch diese nicht mehr, und es trat eine Verwandlung ohne¬ gleichen ein. Ans den Katakomben stieg die Verehrung der Märtyrer hervor; an den Stellen, wo die olympischen Götter angebetet worden, aus den nämlichen Säulen, die deren Tempel getragen, erheben sich Heiligtümer zum Gedächtnis derjenigen, die diesen Dienst verschmäht und darüber den Tod erlitten hatten. Der Kultus, den man in Einöden und Gefängnissen begonnen, nahm die Welt ein. Man wundert sich zuweilen, daß gerave ein weltliches Gebäude der Heiden, die Basilika, in eine Stätte christlicher Verehrung umgewandelt worden. Es hat dies doch etwas sehr Bezeichnendes. Die Apsis der Basilika enthielt ein Augusteum, die Bilder eben jener Cäsaren, denen man göttliche Ehre erwies. An die Stelle derselben trat, wie wir es in so vielen Basiliken noch heute sehen, das Bild Christi und der Apostel; an die Stelle der Weltherrscher, die selber als Götter betrachtet wurden, trat der Menschensohn, Gottessohn; die lokalen Gottheiten wichen, verschwanden. An allen Landstraßen, auf der steilen Höhe des Gebirges, in den Pässen durch die Thalschluchten, auf den Dächern der Häuser, in der Mosaik der Fußböden sah man das Kreuz. Es war ein entschiedener, vollständiger Sieg. Wie man auf den Münzen Konstantins das Labarum mit dem Monogramm Christi über dem besiegten Drachen erblickt, so erhob sich über dem gefallenen Heidentum Verehrung und Name Christi. Auch von dieser Seite betrachtet, wie unendlich ist die Bedeutung des römischen Reiches! In den Jahrhunderten seiner Erhebung hat es die Unab¬ hängigkeit gebrochen, die Völker unterworfen; es hat jenes Gefühl der Selbständigkeit, das in der Sonderung lag, vernichtet; dagegen hat es dann in seinen späteren Zeiten die wahre Religion in seinem Schoße hervorgehen sehen, — den reinsten Ausdruck eines gemeinsamen Bewußtseins, welches weit über seine Grenzen reicht, das Bewußtsein der Gemeinschaft in dem einen wahren Gott. Dürfen wir sagen, daß das Reich durch diese Entwickelung seine eigene Not¬ wendigkeit aufhob? Das Menschengeschlecht war nunmehr seiner selbst inne geworden; es hatte seine Einheit in der Religion gefunden. 20. Die Stadt Rom in der stckaiserzeit. von Ferdinand Gregorovins: Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter. 121. Während der Republik war Rom durch wenige Monumente der Religion und des Staats in anspruchloser Majestät, wie durch die Tugenden seiner starken und einfachen Bürger geziert; erst als die Freiheit unterging, begann mit dem inneren Verfall der äußere Glanz. Augustus übernahm die Stadt als ein enge zusammengebautes Chaos von Häusern und Straßen, welche einige Hügel