119 wobei es an der Wasserfläche blieb. Das Geschrei des Indianers zog eine Menge Zuschauer herbei. Man sah, wie der Unglück¬ liche mit unerhörter Entschlossenheit zuerst ein Messer in der Tasche seines Beinkleides suchte. Da er es nicht fand, packte er den Kopf des Krokodils und stieß ihm die Finger in die Augen. In den heißen Landstrichen Amerika's ist es Jedermann bekannt, daß dieses mit einem harten, trockenen Schuppenpanzer bedeckte, fleischfressende Reptil an den wenigen weichen, nicht geschützten Körpertheilen, wie an den Augen, den Achselhöhlen, den Naslöchern und unter¬ halb des Kiefers, wo zwei Bisamdrüsen sitzen, sehr empfindlich ist. Der Guayqueri ergriff das Mittel, leider aber ohne Erfolg. Im Schmerz tauchte das Thier unter, ertränkte den Indianer, erschien wieder aus der Oberfläche und schleppte den Leichnam auf eine Insel dem Hafen gegenüber. Ich kam im Moment an Ort und Stelle, wo viele Einwohner von Angostura das schreckliche Ereigniß mit angesehen hatten. Da das Krokodil vermöge des Baues seines Kehlkopfes, seines Zungenbeins und der Faltung seiner Zunge seine Beute unter Wasser wohl packen, aber nicht verschlingen kann, so verschwindet selten ein Mensch, ohne daß man ganz nahe an der Stelle, wo das Unglück geschehen, nach ein paar Stunden das Thier zum Vorschein kommen und am nächsten Ufer seine Beute verschlingen sieht. Weit mehr Menschen, als man in Europa glaubt, werden alljährlich Opfer ihrer Unvorsichtigkeit und der Gier der Reptilien. Es kommt besonders in den Dörfern vor, deren Umgegend häufig überschwemmt wird. Dieselben Krokodile halten sich lange am nämlichen Orte auf. Sie werden von Jahr zu Jahr kecker, zumal, wie die Indianer behaupten, wenn sie einmal Menschenfleisch ge¬ kostet haben. Die Thiere sind so schlau, daß sie sehr schwer zu erlegen sind. Eine Kugel dringt nicht durch ihre Haut, und der Schuß ist nur dann tödtlich, wenn er in den Rachen oder in die Achselhöhle trifft. Die Indianer, welche sich selten der Feuerwaffe bedienen, greifen das Krokodil mit Lanzen an, sobald es an starken, spitzen eisernen Haken, auf die Fleisch gesteckt ist und die mit einer Kette an einem Baumstamme befestigt sind, angebissen hat. Man geht dem Thiere erst dann zu Leibe, wenn es sich lange abge¬ müht hat, um vom Eisen, das ihm in der obern Kinnlade steckt loszukommen. Es ist nicht wahrscheinlich, daß man es je dahin bringt, das Land von Krokodilen zu säubern, da aus einem Laby¬ rinth zahlloser Flüsse Tag für Tag neue Schwärme vom Ostab¬ hang der Anden über den Meta und den Apure an die Küsten von spanisch Guyana herabkommen. Mit dem Fortschritt der Kultur wird man es nur dahin bringen, daß die Thiere scheuer werden und leichter zu verscheuchen sind.