166 Als sie das hörte, lief ihr alles Blut zum Herzen, so erschrak sie, denn sie sah wohl ein, daß Sneewittchen wieder lebendig ge¬ worden war. „Jetzt," sprach sie, „will ich Etwas aussinnen, das dich zu Grunde richten soll," und mit Hexenkünsten, die sie ver¬ stand, machte sie einen giftigen Kamm. Dann verkleidete sie sich und nahm wieder die Gestalt eines andern alten Weibes an. So ging sie hin über die sieben Berge zu den sieben Zwer¬ gen, klopfte an die Thüre und rief: „Gute Waare feil! feil!" Sneewittchen schaute hinaus und sprach: „Geht nur weiter, ich darf Niemand herein lasten." „Das Ansehen wird dir doch er¬ laubt sein," sprach die Alte, zog den giftigen Kamm heraus und hielt ihn in die Höhe. Da gefiel er dem Kinde so gut, daß es sich bethören ließ und die Thüre öffnete. Als es den Kamm ge¬ kauft hatte, sprach die Alte: „Nun will ich dich auch einmal ordentlich kämmen." Das arme Sneewittchen dachte an nichts und ließ die Alte gewähren; aber kaum hatte sie den Kamm in die Haare gesteckt, als das Gift darin wirkte, und das Mädchen ohne Besinnung niederfiel. „Du Ausbund von Schönheit," sprach das boshafte Weib, „jetzt ist es um dich geschehen," und ging fort. Zum Glück aber war es bald Abend, wo die sieben Zwerglein nach Haus kamen. Als sie Sneewittchen wie todt auf der Erde liegen sahen, halten sie gleich die Stiefmutter in Verdacht, suchten nach und fanden den giftigen Kamm; und kaum hatten sie ihn heraus¬ gezogen, so kam Sneewittchen wieder zu sich und erzählte, was vorgegangen war. Da warnten sie es noch einmal, auf seiner Hut zu sein, und Niemand die Thüre zu öffnen. Die Königin aber stellte sich daheim vor den Spiegel und sprach: „Spieglein, Spieglest: an der Wand, Wer ist die Schönste im ganzen Land?" Da antwortete er wie vorher: „Frau Königin, ihr seid die Schönste hier; Aber Sneewittchen über den Bergen Bei den sieben Zwergen Ist noch tausendmal schöner als ihr." Als sie den Spiegel so reden hörte, zitterte und bebte sie vor Zorn. „Sneewittchen soll sterben," rief sie, „und wenn es mein eigenes Leben kostet!" Darauf ging sie in eine ganz verborgene, einsame Kammer, wo Niemand hinkam. und machte da einen gifti¬ gen Apfel. Aeußerlich sah er schön aus, weiß mit rothen Backen, daß Jeder, der ihn erblickte, Lust darnach bekam; aber wer ein Stückchen davon aß, mußte sterben. Als der Apfel fertig war, färbte sie sich das Gesicht und verkleidete sich in eine Bauersfrau, und so ging sie über die sieben Berge zu den sieben Zwergen, und