10 Götz, die sogar den Namen ihres Vorbildes trägt, und an die kluge, verständige Löwenwirtin in „Hermann und Dorothea". Auch andere jüngere weibliche Wesen in Goethes Dichtungen denken und handeln, wie die Dichtermutter unter gleichen Umständen gedacht und gehandelt haben würde. Überschaut man das Leben von Frau Rat Goethe, so möchte man im ersten Augenblick annehmen, es habe sich allzeit ein heiterer, sonniger Himmel darüber gewölbt. Allein auch ihr sind schwere Prüfungen nicht erspart geblieben, auch sie hat sich häufig „durch Wolken und Uebel einen weg suchen müssen". Doch gerade in den ernstesten Lagen be¬ wies die wackere Frau ihre ganze Seelenstärke. Indem sie alles, was geschah, auf unmittelbare göttliche Einwirkung zurückführte, „verlernte sie in der Trübsal zu knurren und zu murren, ging sie um den Stein herum, wenn sie ihn nicht aus dem weg zu schaffen vermochte". Ihr Gemüt blieb heiter und aufgeräumt bis in ihre letzten Lebenstage; selbst die Beschwerden des Alters und die schmerzhaftesten Leiden konnten ihrem Gleichmut nichts anhaben. „Alte Uätin", sagte sie zu sich, „hast gute Tage genug gehabt in der Welt und den Wolfgang dazu; wenn die bösen kommen, mußt du auch fürlieb nehmen und kein so übel Gesicht dazu machen." So sah sie mutig den Tod herannahen, noch in den letzten Stunden mit der genauesten Anordnung ihres Leichenbegängnisses beschäftigt, bei dem ein guter wein getrunken werden und niemand zu kurz kommen sollte. Am 13. September 1808 starb Goethes Mutter. Kurz zuvor hatte sie bei einem Rückblick auf ihr Leben noch geäußert, daß sie Summa Summarum eine glückliche Frau gewesen sei, was man ihr gewiß glauben darf, wer Frau Rat Goethe heute noch ganz kennen lernen will, der lese ihre Briefe. Sie spiegeln ihr ursprüngliches liebes Wesen treulich wieder und sind außerdem eigenartige Zeugnisse einer gesunden Lebensauffassung und eine Fundgrube köstlicher volkstümlicher Aus¬ sprüche. 7. Abscliiedsworte eines Vaters an seinen Sohn. Julius Sturm. Das Buch für meine Kinder. Leipzig 1880. S. 157. 1. Du wanderst in die Welt hinaus auf dir noch fremden Wegen, doch folgt dir aus dem stillen Haus der treusten Liebe Segen.