Jubelnd steigen die Lerchen in die Luft, weil sie die liebe, braune Erde wieder sehen, und wie ein goldenes Auge steht die Sonne am Himmel. Da wird es auch den Körnern zu eng im dunklen Boden, es drängt sie übermächtig, die Welt zu schauen. Sie zersprengen die zarte Rinde und schlüpfen als grüne Hälmchen hervor. Mit einem Schlage sind sie alle da. Keins will zurückbleiben. „O wie groß ist die Welt!" denken sie, während der Wind leise über sie hiustreicht und die Sonne ihnen Wärme herunterschickt. Und sie wachsen, wachsen. Sie werden hohe Halme, die durstig den warmen Sommerregen trinken. Immer heißer scheint die Sonne, und immer goldener werden die Ähren. Am Abend geht der Landmann den Feldweg entlang. Zärtlich gleitet er mit der Hand über die schweren Ähren, die sich senken, und sieht dann dankbar zur Sonne hinauf. Sein kleines Töchterlein pflückt froh die blauen Kornblumen und Ackerraden, die dazwischen blühen, um sich ein Kränzlein daraus auf die blonden Zöpfe zu winden. Und daun kommt der Tag, an dem das Korn geschnitten wird, denn es ist nun überreif. Rauschend fallen die Halme unter den Sensen nieder, so daß die Grasmücken und Grillen, die darin gewohnt haben, sich schleunigst davonmachen. Schweigend schaut in der Nacht der Sternen¬ himmel auf das geschnittene Korn herab. Doch schon im ersten Morgen¬ grauen, wenn noch alles schläft, kommen die Bauern mit ihren Wagen gefahren und binden die Ähren zu Garben, um sie aufzuladen. Das dauert den ganzen Tag. Da wird mit Heugabeln und Rechen hantiert, gelacht, gesungen und fröhlich hin und her gerufen. Um Mittag läuten, die Glocken aus dem Dorf durch die heiße Luft zu kurzer Rast herüber, uub prüfend blickt der Landmann zum Himmel empor, ob kein Ge¬ witter die herrliche Ernte verderben wird. Aber alles ist Glanz. Kein Wölkchen schwimmt im Blau. Und immer höher türmen sich die Ähren¬ bündel auf dem letzten Wagen, während die Sonne allmählich sinkt. Dann ist er fertig. Die braunen Pferde ziehen an, —' langsam schwankt er dem Bauernhof zu; hoch oben darauf sitzt jubelnd das blonde Land¬ mannskind. Bald sind nur noch die leeren Stoppeln aus dem Felde sichtbar. 100. Rätsel* Von F)einncb F)offmann von ^attersteben. Kinderlieder. Ausgabe von Lionel von Donop. Berlin 1877. S. 243. 1. Ein Männlein steht im Walde ganz still und stumm, es hat von lauter Purpur ein Mäntlein um.