104 129. Die Getreideernte. 1. Heiß scheint die Sonne vom Himmel hernieder. In voller Pracht steht das gelbe Kornfeld da. Von einem sanften Winde bewegt, neigen sich die vollen Ähren, aus denen die Korn¬ blumen wie blaue Äuglein hervorschauen. Das duftende Heu ist schon in großen Haufen auf der Wiese zusammengebracht worden, und die Getreideernte hat begonnen. Gleichmäßig rauschen die blanken Sensen durch das dichte Kornfeld, und in langen Reihen sinken die schweren Halme zu Boden. Fleißige Mägde folgen den Mähern. Sie nehmen das Getreide auf, legen es in Stroh¬ bänder und binden Garben, die dann in Mandeln zusammenge¬ stellt werden. Ein Häslein ist gar unsanft aus seinem Mittags¬ schlafe aufgeweckt worden. Kaum entging es der scharfen Sense und setzt eilig in großen Sprüngen davon. 2. Eine drückende Schwüle lastet auf Menschen und Tieren. Der Himmel hat sich in der Ferne mit schwarzen Wolken be¬ deckt. Horch, da tönt grollender Donner! Grelle Blitze zucken durch die Luft. Ein Gewitter zieht heran. Schneller fliegt die Sense der Schnitter durch das Korn, eifriger sind die Mägde beim Binden. Bald ist auch die letzte Ecke des Getreidefeldes abgemäht und alles in Garben gebunden. Auf dem Felde daneben rühren sich die Knechte eifrig. Manches Fuder ist noch einzufahren, bis der Bauer die Ernte in der Scheune hat. Deshalb laden sie unermüdlich die Garben auf den schon hoch beladenen Wagen. Schon wird es immer finsterer, und das Gewitter ist ganz in der Nähe; aber der schwankende Wagen eilt noch vor dem Regen der nahen Scheune zu. Blitz auf Blitz zuckt jetzt vom Himmel. Immer heftiger und lauter rollt der Donner, bis endlich ein frischer Regen die heiße Luft abkühlt. Mar Müller.