161 ufer ein, aber in das sichere Wassergrab wollte ihm keiner folgen. Sie sandten ihm Speere und Pfeile nach und hofften auf seinen Untergang in den Wogen. Dem kühnen Schwimmer war jedoch ein besseres Los beschieden. Mächtig schwamm das treue Rotz dahin. Und mochten ihm auch zu¬ weilen die Wellen über dem klopfe zusammenschlagen, riesenstark arbeitete es sich immer wieder empor, und zum Staunen der Feinde erreichte es mit seinem Reiter das jenseitige Ufer. Der Wende hielt sein Gelübde. Er lietz sich taufen und hing an einem Eichenstamme, zum Zeichen des Dankes für seine Errettung, seinen Schild und sein Horn auf. Der Uferstrich, an dem er Schild und Horn aufgehangen, heitzt seitdem Schildhorn. König Friedrich Wilhelm IV. hat im Jahre 1844 an dieser Stätte eine hohe Sandsteinsäule, einen Baumstamm mit Astknorren darstellend, überragt von einem Kreuz, aufstellen lassen, an dem ein erzener Schild befestigt ist. Er hat der ältesten Geschichte des Vaterlandes diesen Denk¬ stein gesetzt, damit alle, die daran vorüberkommen, an jene Zeit denken mögen, wo das Kreuz endlich über die Wendengötzen siegte. 126. Die Jungfrau auf dem Lorelei. Alois Schreiber. In alten Zeiten lietz sich manchmal auf dem Lorelei (Lurlei) um die Abenddämmerung und beim Mondschein eine Jungfrau sehen, die mit so anmutiger Stimme sang, datz alle, die es hörten, davon be¬ zaubert wurden. Viele, die vorüberschifften, gingen am Felsenriff oder im Strudel zugrunde, weil sie nicht mehr auf den Lauf des Fahrzeuges achteten, sondern durch die himmlischen Töne der wunderbaren Jung¬ frau gleichsam aus dem irdischen Leben hinweggelockt wurden. Niemand hatte noch die Jungfrau in der Nähe geschaut als einige junge Fischer; zu diesen gesellte sie sich bisweilen im letzten Abendrot und zeigte ihnen die Stellen, wo sie ihr Netz auswerfen sollten, und jedesmal, wenn sie den Rat der Jungfrau befolgten, taten sie einen reichlichen Fang. Die Jünglinge erzählten nun, wohin sie kamen, von der Huld und Schönheit der Unbekannten, und die Geschichte verbreitete sich im ganzen Lande umher. Ein Sohn des Pfalzgrafen, der damals in der Gegend sein Hoflager hatte, hörte die wundervolle Mär und fatzte eine innige Zu¬ neigung zu der Jungfrau. Unter dem Vorwand, auf die Jagd zu Breidenstein. Mittelschullesebuch II. 11