Nach drei Tagen kommt des Weges ein Wandersmann, den bittet die Schlange ganz kläglich, er solle den Stein hinwegwälzen. Weil aber der Wandersmann nicht traute, schwur ihm die Schlange mit einem teuren Eide: „Den größten Lohn will ich dir geben, den je die Welt für Wohltaten gegeben hat." Der Wandersmann erbarmte sich der Schlange und nahm das Felsstück hinweg, und sie gingen eine Strecke Weges miteinander. Da sagte der Wanderer: „Ich will jetzt eines andern Weges ziehen, aber gib mir doch erst die verheißene Belohnung!" „Du sollst sie haben," versetzte die Schlange, „ich will dich lebendig verzehren." Da erschrak der Wanderer über die Maßen und sprach zu der Schlange: „Wie willst du doch die Wohltat mit Übeltat vergelten? Gedulde dich wenigstens so lange, bis jemand kommt, der zwischen dir und mir richte." Da sahen sie am Wege zwei Raben, und weil die Schlange sie zu Richtern begehrte, trug der Wandersmann vor, wie er der Schlange das Leben gerettet habe und wie sie zum Dank dafür ihn fressen wolle. Die Schlange aber sprach: „Sollte ich den Mann nicht fressen, der mir das Leben gerettet hat? Den höchsten Lohn habe ich ihm ver¬ sprochen, den jemals die Welt für Wohltaten gegeben hat. Nun aber lohnet die Welt nie anders denn mit Undank, darum will ich meinen Wohltäter auffressen." „Du hast recht geredet!" sagten die beiden Raben, und sie taten den Ausspruch, die Schlange dürfe den Mann töten; er hätte doch wissen sollen, was der Welt Lohn sei. Dabei hofften sie, es werde für sie noch ein reichliches Mahl abfallen. Aber der Wandersmann sagte: „Sollen denn Diebe meine Richter sein? Ich verlange einen andern Richter!" Da kamen desselben Weges der Wolf und die Wölfin mit ihren hungrigen Jungen, und die Schlange begehrte von ihnen den Richter¬ spruch. „Sollte ich," sprach sie, „den Mann nicht fressen, der mir das Leben gerettet hat, da doch Undank der Welt Lohn ist? Zudem habe ich seit drei Tagen nichts gegessen, und es ist ein altes Recht: Not kennt kein Gebot, und: Ein gezwungener Eid tut Gott leid." Da sprach der alte Wolf abermals das Urteil, die Schlange dürfe den Wanderer umbringen, und die übrigen Wölfe heulten ihm Beifall,