I. Ans dem häuslichen und Dernfs leben. 1. Der Dorfschmied. (Gekürzt.) 1. In einem wasserdurchrauschlen Gebirgstal schritt ich durch späte Mondnacht, als in mein Träumen ein fremder Ton drang. Es war das Hämmern einer Schmiede. Nur von Zeit zu Zeit, wie lauschend, schwieg der nächtliche Glöckner, und die Mainacht um mich herum atmete allein weiter. AIs ich um eine Ecke der Landstraße bog, sah ich in hellem Feuerscheine die Schmiede vor mir stehen, und nähertretend sah ich auch den Schmied. Mitten in einem Funkenregen stand der Mann. Die Linke mit der Zange hielt das glühende Eisen gefaßt, und Schlag auf Schlag fuhr aus der kräftigen Rechten auf den dröhnenden Amboß. Ein herzstählendes Bild! Ein Bismarck auf dem Dorfe! Groß und breit stand er mit hoher, kahler Stirn, das männliche Antlitz durch buschige Brauen und einen kurzen Schnurrbart verfinstert. Den Hals nackt, die Hemdärmel bis unter die Schultern zurückgestülpt, das Schurzfell umgehängt, — so steht er heute noch vor meiner Seele: ein Mann, der seine Pflicht tut! 2. „Grüß' Gott, Meister Schmied!" rief ich frohgemut, „noch so spät an der Arbeit?" Mein Mann sah auf, brummte einen „Guten Abend" und fuhr dann gleichmütig fort, aus seinem roten Eisen Funken herauszuhämmern. Der macht nicht viel Worte, dachte ich und setzte mich auf einen leeren Amboß. Einem Schmiede mag ich gern zuschauen. Es ist ein ur- deutsches, kräftiges Handwerk, das Schmiedehandwerk. War's nicht in einem Zweige meiner Familie Erbsitte, daß der Älteste Schmied würde? Zch wäre wohl auch an die Reihe gekommen, aber — — nun, grüß' dich Gott, Waldschmied! 3. Der Meister tat noch ein halb Dutzend Schläge, steckte dann das Eisen in die Esse und setzte den Blasebalg in Bewegung. Dann drehte er Niedersächsisches Lesebuch für Mittelschulen. Teil III8. 1912. 1