329 Gönner gemacht hatten, feierten jetzt auch fromme Mönche die Be¬ schützer ihres Klosters durch Gedichte in Hexametern oder Distichen. Die Verse waren ein feines Mittel, sich Vornehmen zu empfehlen, von diesen Geschenke und unter den Brüdern Ansehen zu erwerben. 6. Zu den Pflichten der Benediktiner gehörte das Abschreiben alter Handschriften, und wir haben Ursache, mit innigem Dank auf diese emsige Tätigkeit zu blicken; denn ihr verdanken wir fast unsere gesamte Kunde des Altertums. In seiner Klosterzelle saß der Schön¬ schreiber der Abtei, glättete und linierte sein Pergament, schrieb unermüdlich die Worte nach, die er nicht immer verstand, malte die Anfangsbuchstaben sauber aus mit Rot, Blau, Grün und Gold, zog mit Genuß seine Arabesken und schrieb vergnügt einen frommen Wunsch oder einen kleinen Klosterscherz an das Ende der Abschrift. Wer schön zu schreiben und die Anfangsbuchstaben zu malen vermochte, wurde sehr bewundert. Noch als neunzigjähriger Mann mit zitternder Pfand und halb blind schrieb der Bayer Wikterb, Abt von Tours, an seiner letzten Handschrift, und solcher Fleiß war nicht selten. Die Pflicht zu schreiben schuf dem Kloster eine Bibliothek, außerdem halfen dazu Käufe und Geschenke wohlhabender Brüder und vornehmer Gönner. Die Klöster waren stolz auf ihre Handschriften, zumal auf die schön geschriebenen, sie wurden als vielbegehrter Schatz sorgfältig gehütet und ungern verliehen. Gustav Freytag. 113. Der deutsche Orden im Osten. 1. Aus dem Hügellande Thüringen bewegte sich ein reisiger Zug ostwärts nach den Ufern der Weichsel. In der Urzeit hatte das gelbe Wasser des großen Stromes die Vandalen und Burgunder getrennt von Slaven und andern Völkern fremden Stammes. Damals hatten sich die Germanenkrieger aus ihren östlichen Sitzen erhoben und waren wie Meereswogen eingebrochen in den Ländern des Westens, mildere Sonne und ein reicheres Leben begehrend. Jetzt strömte die Volkskraft der Deutschen in vielen kleinern Wellen wieder zurück von Westen nach Osten, und tausend Jahre nach der Auswanderung jener alten Ger¬ manen begannen die Thüringer und Sachsen an der Stromgrenze aufs neue den Kampf gegen die Fremden, mit stärkern Waffen und festerer Kraft.