2 6 und wurde unentgeltlich unterwiesen. Der Meister weihte den Schüler in die Geheimnisse der Tabulatur ein, d. h. in die Gesetze ihrer Dichtkunst. Hatte der Lehrling diese begriffen, so bat er die Gesellschaft um Aufnahme. War er von löblichen Sitten und zeigte er guten Willen, so wurde ihm erlaubt, in der Kirche den Singestuhl zu besteigen und eine Probe seiner Kunst abzulegen. Gelang es es ihm, so wurde sein Wunsch erfüllt; feierlich gelobte er nun, der Kunst stets treu zu sein, die Ehre der Gesellschaft wahrzunehmen, sich stets friedlich zu betragen und kein Meisterlied durch Absingen auf der Straße zu entweihen. Dann bezahlte er das Einschreibegeld und gab einige Maß Wein zum besten. Bei den gewöhnlichen Ver¬ sammlungen der Meistersänger waren weltliche Lieder erlaubt, nie aber in den Festschulen. Diese fanden dreimal im Jahre statt: zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten in einer Kirche. Dann wurden nur Gedichte vorgetragen, deren Inhalt aus der Bibel oder den heiligen Sagen geschöpft war. Wer am fehlerfreiesten sang, wurde mit einer goldenen Kette geschmückt, und wer nach ihm am besten bestand, mit einem silbernen Kranze. Wem dagegen grobe Fehler nachgewiesen wurden, der mußte es durch Strafgeld büßen. So floß das Leben der Meistersänger unter erbaulichen Gesängen hin, und wenn einer aus der frohen Zunft abgerufen wurde, so versammelten sich seine Genossen um sein Grab und sangen ihm das letzte Lied. In Nürnberg, wo der Briefmaler Hans Rosenblüt, der Barbier Folz, der Leineweber Nunnenbeck und vor allen dessen Schüler, der Schuster Hans Sachs, als weltberühmte Meistersänger galten, wohnte sogar Kaiser Maximilian einmal einer Festschule bei. Die Katharinen¬ kirche war schön geschmückt, und vom Chor, wo der Kaiser Platz nahm, hing eine kostbare Purpurdecke herab. Gar feierlich nahm sich der Verein der Meistersänger aus, die umher auf den Bänken saßen, teils langbärtige Greise, die aber alle noch rüstig schienen, teils glatte Jünglinge. Alle prangten in geschlitzten grünen, blauen oder schwarzen Seidengewändern mit zierlich gefalteten Spitzen¬ kragen. Neben der Kanzel befand sich der Singestuhl, eine kleine Kanzel, mit einem bunten Teppich geschmückt. Vorn im Chor war ein niedriges Gerüst aufgeschlagen, worauf ein Tisch und ein Pult standen. Dies war das Gemerke; hier hatten drei Merker ihren Platz. Sie merkten die Fehler an, welche die Sänger in der Form gegen die