192 IV. Aus der weiten Welt. Viele erhoben ihre Hände zu den Göttern; andere behaupteten, es gebe nirgend mehr Götter, und dies sei die ewige, letzte Nacht. Jetzt wurde es etwas heller; allein es war nur das Zeichen eines neuen Ausbruchs; bald herrschte wieder Finsternis ringsum, und schwerer Aschenregen siel herab. Wir schüttelten die Asche von uns, sonst wären wir von der Last überdeckt oder gar erdrückt worden. Endlich verdünnte sich jenes Dunkel und löste sich gleichsam in Rauch und Nebel auf. Bald wurde es wirklich Tag; auch die Sonne erschien, aber blaß, wie sie zu sein pflegt, wenn sie sich verfinstert. Alles war mit tiefer Asche wie mit Schnee iiberzogen und trat den noch zagenden Augen verändert ent¬ gegen. Nach Misenum zurückgekehrt, sorgten wir, so gut es ging, für unsern Körper, und brachten die nächste Nacht in Furcht und Hoffnung zu; die Furcht aber war größer. Das Erdbeben dauerte noch fort; doch kam uns nicht der Gedanke, wegzugehen, bis wir über den Oheim Nachricht hätten. Nach Plimus. m Jahre 1859, während des Befreiungskrieges der Lornbardei, wenige Tage nach der Schlacht von Solferino, die voll den Franzosen und Italienern gegen die Österreicher gewonnen worden war, ritt an einem schönen Junimorgen ein kleiner Trupp italienischer Reiterei auf einem einsamen Fu߬ wege langsamen Schrittes dem Feinde entgegen, die Gegend aufmerksam aus¬ spähend. Die Abteilung wurde geführt von einem Offizier und einem Wacht¬ meister, und alle schauten unverwandten Auges vor sich, stumm, von einem Augen¬ blick zum andern gewärtig, die weißen Uniformen der österreichischen Vorposten zwischen den Bäumen durch zu erblicken. So kamen sie vor einem Bauernhause an, das von Eschen umgeben war, und vor dem sich ganz allein ein Knabe von ungefähr 12 Jahren befand, der mit einein Messer einen kleinen Zweig schälte, um sich ein Stückchen daraus zu machen. Aus einem Fenster des Hauses hing eine breite, dreifarbige Fahne. Drinnen war niemand; nachdem die Bauern die Fahne aufgepflanzt hatten, waren sie aus Furcht vor den Feinden geflohen. Kaum hatte der Knabe die Reiter bemerkt, so warf er den Stock fort und nahin seine Mütze ab. Es war ein schöner Junge mit kühnem Gesicht, großen, blauen Augen und blondem, langem Haare; er war in Hemdärmeln, und man sah seine nackte Brust. „Was machst du hier?" fragte ihn der Offizier, sein Pferd anhaltend. „Warum bist du nicht mit deiner Familie geflohen?" „Ich habe keine Eltern mehr," antwortete der Knabe. „Ich arbeite ein wenig für alle. Ich bin hier geblieben, um den Krieg zu schauen." „Hast du Feinde vorbeigehen sehen?" „Nein, seit drei Tagen nicht." Der Offizier sann einen Augenblick vor sich hin; dann sprang er vom Pferde, und die Soldaten, dem Feinde zugekehrt, zurücklassend, trat er in das Haus und stieg aufs Dach. — Das Dach war zu niedrig; man konnte von 102. Die kleine lombardische Spähwache.