5. Wie Gudrun als Magd gehalten wurde. Hartmut erneuerte allerdings wieder seine Bewerbungen um Gudrun. Da sie dieselben aber entschieden zurückwies, so empfahl er sie der liebe¬ vollen Fürsorge seiner Mutter und zog für eine Reihe von Jahren aus Abenteuer aus. Gerlinde aber begann nun^ Gudrun nach ihrer Weise zu erziehen: sie hielt sie kärglich und strenge und zwang ihre Gefährtinnen, die niedrigsten Sklavendienste zu verrichten. Unter den mit der Königs¬ tochter geraubten Jungfrauen befand sich eine, namens Hergart, die schönste und vornehmste nächst ihr selber. Diese mußte Wasser tragen und im Winter die Öfen heizen; dadurch ward bald ihr Mut gebrochen, und sie beugte sich den Unterdrückern und ward ihrer Gebieterin untreu. Desto fester hielten die anderen Frauen zu ihrer Herrin, besonders die treue Hildburg. Gudrun selbst trug ihr bitteres Los ohne Klage; aber keinen Augenblick wankte sie in der Treue gegen den ihr verlobten Herwig. Ob auch Monde auf Monde und Jahre auf Jahre während ihrer Erniedrigung dahinschwanden, so ließ sie doch die Hoffnung auf ihre endliche Befreiung nicht fahren, und ihren Peinigern blieb sie kalt und fremd, wie sie es von Anfang an gewesen war. Rur gegen die Freundlichkeit der lieblichen Ortrun, der freilich nur selten gestattet war, ihr zu nahen, fühlte und zeigte sie warme Dankbarkeit. Im siebenten Jahre kehrte endlich Hartmul aus der Fremde zurück. Er hoffte Gudrun jetzt zur Vermählung willig zu finden; aber ihre Treue war unwandelbar. Seiner Mutter machte er schwere Vorwürfe über ihre Härte gegen die Jungfrau, und jene versprach, sie wolle hinfort es anders machen. Aber kaum hatte Hartmut sich abermals auf Seeabenteuer hinausbegeben, so begannen auch die Mißhandlungen schlimmer als jemals. Die friesische Königstochter mußte jetzt täglich Eerlindens Kammer auskehren und im Winter die Öfen darin heizen, wobei es nicht an den schlimmsten Scheltworten fehlte. Auf Augenblicke mochte Gudrun wohl verzagen und alle Hoffnung auf Befreiung auf¬ geben; aber wenn sie sich an der Brust ihrer treuen Hildburg ausgeweint und ein Gebet zum Himmel emporgesandt hatte, dann kam ihr wieder Ruhe und Heiterkeit der Seele. Ohne Murren tat sie alles, was man sie hieß; aber ihr Herz war bei den Lieben daheim. So vergingen wieder Jahre. Da kehrte Hartmut gegen den siebenten Winter abermals zurück, nunmehr fest entschlossen, auf alle Fälle Gudrun zu seiner Gemahlin zu machen. Er ging in ihre Kammer und stellte