65. Der unzufriedene Esel. von Huguft eottUcb meißner. Äsopische Fabeln für die Jugend. Augsburg 1813. 8. 177. 3n einem harten Winter wünschte sich ein Esel sehnlich, sein Bündel Stroh und sein kaltes Nachtlager bald mit wärmerem Wetter und mit einem Mundvoll frischen Grases zu vertauschen. Das wärmere Wetter und das frische Gras kamen, aber mit ihnen zugleich stellte sich so mannigfache Arbeit ein, daß der Esel des Frühlings so überdrüssig als des Winters ward und sich desto mehr nach dem Sommer sehnte. Auch dieser erschien, aber mit ihm zugleich die Ernte. Wie oft mußte jetzt der Esel Korn und Feldfrüchte bald nach Hanse und bald in die Mühle tragen! Wie ängstlich seufzte er über den Sommer, und wie inständig wünschte er sich den Herbst! Der Herbst brach an; Äpfel, Trauben und andere Früchte wurden reif; Holz- und Wintervorrat mußten eingesammelt werden. Noch nie glaubte der arme Langohr so übel daran gewesen zu sein, und aufs kläglichste flehte er den Winter an, bald herbeizueilen, weil er da Ruhe zu sinden hoffte. 66. Der XriÌlQ» Von Christian 6ellert. Fabeln und Erzählungen. 1. Teil. 1. Auflage. Leipzig 1746. 8. 4. ®in Zeisig war's und eine Nachtigall, die einst zu gleicher Zeit vor Dämons Fenster hingen. Die Nachtigall fing an, ihr göttlich Lied zu singen, und Dämons kleinem Sohn gefiel der süße Schall. 5 „Ach, welcher singt von beiden doch so schön? Den Vogel möcht' ich wirklich sehn?" Der Vater macht ihm diese Freude, er nimmt die Vögel gleich herein. „Hier," spricht er, „sind sie alle beide; 10 doch welcher wird der schöne Sänger sein? Getraust du dich, mir das zu sagen?" — Der Sohn läßt sich nicht zweimal fragen, schnell weist er auf den Zeisig hin. „Der," spricht er, „muß es sein, so wahr ich ehrlich bin. 15 Wie schön und gelb ist sein Gefieder! Drum singt er auch so schöne Lieder! Dem andern sieht man's gleich an seinen Federn an, daß er nichts Kluges singen kann."