148 süßen Frauenstimme. Und wirklich, als sie ihre Augen nach der Ver¬ tiefung des Brunnens zuwandte, sah sie auf dem grünen Moosrande, der dort emporgekeimt war, die ruhende Gestalt einer wunderbar schönen, blühenden Frau. Sie hatte ihren Kops auf den nackten glänzenden Arm gestützt, über den das blonde Haar wie in seidenen Wellen herabfiel, und ließ ihre Augen oben zwischen den Säulen an der Decke wandern. Auch Maren blickte unwillkürlich hinauf. Da sah sie nun wohl, daß das, was sie für große Spinngewebe gehalten, nichts anders sei als die zarten Florgewebe der Regenwolken, die durch den aus dem Brunnen aufsteigenden Duft gefüllt und schwerer und schwerer wurden. Eben hatte sich ein solches Gewölk in der Mitte der Decke abgelöst und sank leise schwebend herab, so daß Maren das Gesicht der schönen Frau am Brunnen nur noch wie durch einen grauen Schleier leuchten sah. Da klatschte diese in die Hände, und sogleich schwamm die Wolke der nächsten Fensteröffnung zu und floß durch dieselbe ins Freie hinaus. „Nun!" rief die schöne Frau. „Wie gefällt dir das?" Und dabei lächelte ihr roter Mund, und ihre weißen Zähne blitzten. Dann winkte sie Maren zu sich, und diese mußte sich neben ihr ins Moos setzen: und als eben wieder ein Duftgewebe von der Decke niedersank, sagte sie: „Nun klatsch in deine Hände!" und als Maren das getan und auch diese Wolke, wie die erste, ins Freie hinausgezogen war, rief sie: „Siehst du wohl, wie leicht das ist! Du kannst es besser noch als ich!" Maren betrachtete verwundert die schöne, übermütige Frau. „Aber," fragte sie, „wer seid Ihr denn so eigentlich?" — „Wer ich bin? Nun, Kind, bist du aber einfältig!" — Das Mädchen sah sie noch einmal mit ungewissen Augen an; endlich sagte sie zögernd: „Ihr seid doch nicht gar die Regentrude?" — „Und wer sollte ich denn anders sein?" — „Aber verzeiht! Ihr seid ja so schön und lustig jetzt!" Da wurde die Trude plötzlich ganz still. „Ja," rief sie, „ich muß dir dankbar sein. Wenn du mich nicht geweckt hättest, wäre der Feuer¬ mann Meister geworden, und ich hätte wieder hinab müssen zu der Mutter- unter die Erde." Und indem sie ein wenig wie vor innerem Grauen die weißen Schultern zusammenzog, setzte sie hinzu: „Und es ist ja doch so schön und grün hier oben!" Dann mußte Maren erzählen, wie sie hierher gekommen, und die Trude legte sich ins Moos zurück und hörte zu. Mitunter pflückte sie eine der Blumen, die neben ihr emporsproßten, und steckte sie sich oder dem Mädchen ins Haar. Als Maren von dem mühseligen Gange aus dem Weidendamme berichtete, seufzte die Trude und sagte: „Der Damm ist einst von euch Menschen selbst gebaut worden; aber es ist schon lange, lange her! Solche Gewänder, wie du sie trägst, sah ich nie bei ihren Frauen. Sie kamen damals öfters zu mir, ich gab ihnen Keime und Körner zu neuen Pflanzen und Getreiden, und sie brachten mir zum Dank