W Aus dem Naturleben B 206. Die Getreidearten. Von Hermann Wagner. Im Grünen. 6. Verb. Auflage. Leipzig 1892. S. 111. Die Völker, welche nur von der Jagd leben, sind viel übler daran als jene, die Getreide säen und ernten. Die Indianer in Amerika müssen nicht selten tagelang herum¬ ziehen und tausenderlei List anwenden, Mühseligkeiten ertragen und Gefahren ausstehen, um ein Wildbret zu erlegen und mit ihrer Familie satt zu werden. Der Ackersmann hat seine Nahrung sicherer und bequemer. Wo er die kleinen Körnchen hinlegt, bleiben sie liegen; dort kann er dann die gereiften Früchte ge¬ mächlich abholen. Die Hirsche und Büffel dagegen, welche der Indianer jagt, haben vier Beine und laufen mit denselben schneller als der Jäger mit seinen zweien. Dazu haben sie Hörner und wehren sich. Die Körnchen brauchen nur einige Monate, um zu reifen; hat der Bauer einen Scheffel davon ausgesät, so erntet er fünf, ja wohl zehn wieder ein, in manchen Gegenden sogar noch mehr. Das Wild dagegen bekommt nur wenige Junge, jedesmal eins oder zwei, und diese brauchen eine Reihe von Jahren, ehe sie groß werden. Das Schlimmste dabei ist, daß das Wild nur im Winter gut zu jagen ist und dann aus solchen Gegenden oft weit hinwegzieht, in denen man ihm nachstellt. Der Jäger muß dann in der gefährlichsten Jahreszeit weithin es aufspüren. Hunger und Krankheiten reißen deshalb oft genug in den Jägerdörfern ein. Frauen und Kinder sterben aus Not, und der Leute werden weniger. Der Landbauer dagegen birgt seine Ernte im Sommer, drischt sie in geschützten Scheunen und lebt mit den Seinen vergnügt im gut verwahrten Hause, sobald der Wintersturm draußen den Schnee treibt. So sind die kleinen Getreidekörnchen eine große Wohltat für den Menschen. Nicht alle Getreidearten gedeihen in jedem Lande; sie wollen es weder zu kalt haben noch auch zu warm, sondern jede Sorte nach ihrer besonderen Weise.