424 Am nächsten Tage besuchte das Kaiserpaar die Hohkönigsburg bei Schlettstadt. Diese umfangreiche Burg ist nach dem Heidelberger Schloß wohl die größte und schönste Ruine in ganz Deutschland, eins der gewaltigsten aller Ritterschlösser in deutschen Landen. Sie stammt aus dem elften oder zwölften Jahrhundert und hat viele Besitzer gehabt; adlige Herren, Landgrafen, Herzöge, Bischöfe waren nacheinander Herren der starken Feste, ja sogar Raubritter hatten sich hier angesiedelt, die die Kaufleute überfielen, wenn sie sich auf die Märkte der umliegenden größeren und kleineren Ortschaften begaben. Mehrfach belagert und erobert, wurde die Burg zur Zeit der französischen Revolution zerstört. Die Gemeinde Schlettstadt kaufte dann 1865 die Ruine samt den Waldungen; aber erst seitdem das Elsaß deutsch ist, wurde für die Erhaltung der Ruine Sorge getragen. Zum Besuche des Kaiserpaares hatte die Stadt Schlettstadt sich aufs prächtigste geschmückt, und eine zahlreiche Menschenmenge drängte sich zu beiden Seiten des Weges, der von Schlettstadt bis zur Hohkönigsburg führt; alle wollten das geliebte und verehrte Kaiserpaar sehen. Der Bürgermeister und die Ratsherren voil Schlettstadt begleiteten Kaiser und Kaiserin, um ihnen die Sehens¬ würdigkeiten der großen Burg, die gewaltigen Türme, die Kapelle, das Löwentor und die festen Gewölbe zu zeigen. Von der Spitze des Turmes aus hat man eine wunderbare Aussicht auf das mächtige Vogesengebirge, auf das Rheintal, das der Rhein wie ein breites Silber¬ band durchzieht, aus die blauschimmernden Berge des Schwarzwaldes und die Schneegipsel der Alpen. Der Bürgermeister wies auf dies herrliche Bild hin und übergab dann im Namen der Stadt Schlettstadt dem Kaiser die Burg zum Geschenk. Hocherfreut dankte der Monarch dem Vertreter der Stadt für die herrliche Gabe. So ist der Kaiser Besitzer der gewaltigsten Burg des Elsaß ge¬ worden, die jetzt wieder vollständig ausgebaut ist. Aus allen Tälern des Elsaß klingen die Glocken durch das sonnige Land hinauf zu den Bergen, über den alten Städten wehen die deutschen Reichsfahnen, die Sieges¬ fanfaren der deutschen Kriegervereine schmettern durch die Rheinebene, und das „Heil dir im Siegerkranz" der Schulkinder dringt hinauf bis zu den Mauern der alten Burgen. Wir aber freuen uns, daß dies uralte Land deutscher Herrlichkeit nicht mehr ein verlorenes Kind in der Fremde, sondern „deutsches Heimatland" geworden ist. Was es in aller Herrlichkeit des Mittelalters, in den Jahren des Ruhmes und der Glanzzeit der französischen Herrschaft nicht finden konnte: sichern Frieden, innere Ruhe, eine starke, feste und gerechte Regierung, Schutz für Handel, Kunst und Ackerbau, für Kirchen und Klöster, das hat Elsaß- Lothringen gefunden unter dem mächtigen Schutze des Deutschen Reiches, unter dem Schatten des deutschen Reichsadlers.