412 Er hatte früh das strenge Wort gelesen, dem Leiden war er, war dem Tod vertrant. So schied er nun, wie er so oft genesen; nun schreckt uns das, wofür uns längst gegraut. Doch schon erblicket sein verklärtes Wesen sich hier verklärt, wenn es hernieder schaut. Was Mitwelt sonst an ihm beklagt, getadelt, es hat's der Tod, es hat's die Zeit geadelt. Auch manche Geister, die mit ihm gerungen, sein groß Verdienst unwillig anerkannt, sie fühlen sich von seiner Kraft durchdrungen, in seinem Kreise willig festgebannt. Zum Höchsten hat er sich emporgeschwungen, mit allem, was wir schätzen, eng verwandt. So feiert ihn! Denn was dem Mann das Leben nur halb erteilt, soll ganz die Nachwelt geben. So bleibt er uns, der vor so manchen Jahren — schon zehne sind's — von uns sich weggekehrt. Wir haben alle segenreich erfahren, die Welt verdank' ihm, was er sie gelehrt; schon längst verbreitet sich's in ganze Scharen, das Eigenste, was ihm allein gehört. Er glänzt uns vor, wie ein Komet entschwindend, unendlich Licht mit seinem Licht verbindend. 161. Über die Sprache Goethes und Schillers. (Jakob Grimm.) Goethe besitzt unleugbar die größere Sprachgewalt, ja eine so seltene und vorragende, daß insgemein kein anderer unserer deutschen Schrift¬ steller es ihm darin gleichthut. Wo er seine Feder ansetzt, ist unnachahm¬ licher Reiz und fühlbare Anmut ausgegossen. Eine Menge der feinsten und erlesensten Wörter wie Wendungen ist zu seinem Gebot und stets au den eigensten Stellen. Seine ganze Rede fließt überaus gleich und eben, reichlich und ermessen, kaum daß ein unnötiges Wörtchen steht; Kraft und Milde, Kühnheit und Zurückhalten, alles ist vorhanden. Hierin kommt ihm Schiller nicht bei, der fast nur über ein ausgewähltes Heer von Worten herrscht, mit