18 diese Einzelheiten genau merken konnte. Man begreift, welchen Eindruck der Vorgang im Volke machen mußte, bei dem eine Königin sich so lieblich mütterlich gegen ein fremdes Kind bezeigte. Es wurde nicht gerufen oder sonst eine laute Freude an den Tag gelegt; aber rings um mich horte ich murmeln, daß das eine Königin sei, wie sie sein müsse. Dieser Tag hatte für mich eine Belehrung unerwarteter Art in feinem Schoße. Ich wußte vom alten Fritz, konnte alle Schlachten des sieben¬ jährigen Krieges nach der Schnur her erzählen; es war mir bekannt, daß die Kaiserlichen Magdeburg zerstört hatten, und die Königin von Preußen hatte ich soeben gesehen. Aber wie das alles mit der Gegenwart zusammen¬ hing, darüber fehlte mir jede Vorstellung. Ans Rathmanns Geschichte waren mir die alten magdebnrgischen Erzbischöfe als besonders kenntliche Figuren entgegengetreten, und ich glaubte daher an deren Fortbestand so treuherzig, wie Campes Kinder daran glauben, daß ihr Freund Robinson noch am Leben sei. Der Tag aber, von dem ich rede, sollte mich enttäuschen. Glücklich und unbemerkt war ich nach Haus zurückgelangt und saß meinem Vater bei Tische gegenüber. Er hatte sofort nach der Rückkehr die Gala abgelegt, war jedoch schweigsam und ernst, und überhaupt herrschte eine gewisse feierliche Schwüle im Familienkreise. Mir wurde dabei im Bewußtsein des verbotenen Genusses, den ich gehabt, nicht ganz wohl; ich hielt es unter diesen Umständen für doppelt geraten, der Unterhaltung mich nach Kräften anzunehmen, damit sie nicht etwa in verfängliche Nachforschungen abspränge, und so fuhr ich plötzlich, als eine lange Stille im Gespräch ent¬ standen war, mit der Frage heraus, wer jetzt Erzbischof von Magdeburg sei. Hierauf sah mich mein Vater mit einem Blicke an, den ich nie habe vergessen können. Er hatte hellblaue Augen, die eines blitzenden Ausdrucks fähig waren. Diese blitzenden blauen Augen auf mich werfend und auf mir haften lassend, sagte er ganz ruhig und gehalten, aber so, daß mir der Ton durch Mark und Bein ging: „Das Erzstift ist lange aufgehoben und zum Herzogtum Magdeburg gemacht. Der König von Preußen ist Herzog von Magdeburg.'' „Und du hast hercke gegen meinen Befehl die Königin gesehen", dachte ich, würde nachfolgen, glühend in meiner Sündenschuld. Indessen verblieb es bei jener Auseinandersetzung. 10. Die Königin Luise und das Kind. (Rulemann Friedrich Eylert.) Die Königin Luise sollte auf einer Reife einst durch eine kleine Stadt in Pommern kommen. Alle Häuser des Ortes waren zum Empfange der