14 19. Rotkäppchen. 1. Es war einmal ein kleines, liebes Mädchen. Das hatte jedermann gern, der es nur ansah. Am allerliebsten aber hatte es seine Großmutter. Die wußte gar nicht, was sie dem Kinde alles geben sollte. Einmal schenkte sie ihm ein Käppchen von rotem Sammet. Weil ihm das so wohl stand und es nichts anderes mehr tragen wollte, hieß es nur das Rotkäppchen. 2. Eines Tages sprach seine Mutter zu ihm: „Komm, Rotkäppchen, da hast du ein Stück Kuchen und eine Flasche Wein, bring das der Großmutter hinaus! Sie ist krank und schwach und wird sich daran laben. Mach’ dich auf, bevor es heiß wird. Geh aber hübsch sittsam und nicht vom Wege ab. Lauf auch nicht so, sonst fällst du und zerbrichst das Glas, und die Großmutter hat nichts. Und wenn du in ihre Stube kommst, so vergiß nicht, guten Morgen zu sagen, und guck’ nicht erst in allen Ecken herum!" „Ich will schon alles gut ausrichten,“ sagte Rotkäppchen und gab der Mutter die Hand darauf. Die Großmutter aber wohnte draußen im Walde, eine halbe Stunde vom Dorfe. 3. Wie nun Rotkäppchen in den Wald kam, begegnete ihm der Wolf. Rotkäppchen aber wußte nicht, was für ein böses Tier er war, und fürchtete sich nicht vor ihm. „Guten Tag, Rotkäppchen!“ sprach er. — „Schönen Dank, Wolf!" — „Wo hinaus so früh, Rotkäppchen?“ — „Zur Großmutter.“ — „Was trägst du unter der Schürze?“ — „Kuchen und Wein. Gestern haben wir gebacken, und da soll sich die kranke und schwache Großmutter etwas zugute tun und sich damit stärken.“ — „Rotkäppchen, wo wohnt deine Großmutter?“ — „Noch eine gute Viertel¬ stunde weiter im Wald, unter den drei großen Eichbäumen, da steht ihr Haus. Unten sind die Nußhecken, das wirst du ja wissen."