320 Die Lust ist überall, wo lebende Wesen wohnen, auf den Höhen und in den Tiefen: sie drängt sich dem neugebornen Kinde von selber in den Mund und in die Lungen; sie findet durch die kleinen Oeffuungen, um dicken Ende der Schale, den Zugang schon zu dem Küchelchen im Ei; sie senkt sich hinab in's Wasser bis zum tiefsten Grund des Meeres und wird du von den Wasserthieren eingeathmet; in alle Höhlen und offene Gruben der Erde, ja selbst in das Innere der Pflanzen- und Thierkörper dringt die Luft hinein und erfüllt dieselben. 4. liatar- and Kunsttriebe der Thiere. Gott hat den Thieren besondere Triebe eingepflanzt, dadurch sie Alles, was zur Erhaltung ihres Lebens nöthig ist, thun und finden. Diese Naturtriebe oder Instinkte sind bei einigen Thieren höchst bewundrungswürdig. Ohne Erfah¬ rung, ohne Ueberlegung, ohne Schule, ohne Beispiel und Muster, thun sie, grössten¬ teils von ihrer Geburt an, mit meisterhafter Geschicklichkeit Alles das, was zu ihrer Erhaltung, Vertheidigung, zum Bau ihrer Wohnungen und zur Sicherheit ihrer Jungen nöthig ist. Sie verrichten gewisse Handlungen, die mit Verstand, Nachdenken, Ueberlegung und Klugheit unternommen und ausgeführt zu sein scheinen, die aber doch blos das Werk ihrer angebornen Neigung und Kunsttriebe sind. Sie folgen dem wohlthätigen und unwiderstehlichen Zwange der Natur, denn das Thier folgt Fesseln der Natur, der Mensch dem Licht der Seele. Diese Naturtriebe zeigen sich besonders 1. beim Aufsuchen der Nahrung. Der Vogel weiss aus tausend Körnern gerade diejenigen herauszufinden, welche ihm zuträglich sind, und die zu vermeiden, welche ihm schädlich sein würden; ein natürlicher Trieb lehrt ihn dieses unterscheiden. Woher kommt es, dass auf Weideplätzen, welche von zahlreichen Viehheerden abgeweidet werden, manche Kräuter, z. B. das Wolfsmilchkraut oder die Herbstzeitlose, unberührt stehen bleiben, selbst in dürren Jahren, während die Gräser umher alle abgefressen werden? Woher kommt es, dass fast jede grasfressende Thiergattung besondere Kräuter liebt und sucht, andere aber auch beim Hunger nie frisst? Dass diese ihnen schädlich sind, wissen sie weder durch Versuche, noch haben sie’s von den ältern Thieren gelernt. Es ist leitender und warnender Sinn, den ihnen der Schöpfer gegeben, und der sie gegen Gefahren schützt, gegen welche der Mensch durch Ueberlegung und Erfahrung sich sichern kann. Oft ist’s auch eine gewisse angeborne Kunstfertigkeit und List, womit sie sich ihrer Speise zu bemächtigen, oder sich ihre Nahrung zuzubereiten wissen. Wie viele Kunststücke werden nicht vom Fuchse erzählt, und wie kunstvoll ist das Garn, welches eine Spinne zum Fange der Mücken anlegt. Der Schwarz¬ specht, auch der „Baumhacker“ genannt, nährt sich von den Samen, welche unter den Blättchen der Tannzapfen liegen und ziemlich fest darunter verborgen sind. Er läuft mit grosser Behendigkeit an den Bäumen hinauf, indem er sich mit seinen beiden Füssen und dem Schwänze festhält. Weil er nun mit seinen Füssen den Tannzapfen nicht halten kann, so pickt er mit seinem starken Schnabel ein Loch in den Stamm, steckt den abgebrochenen Tannzapfen fest darein, und kann nun mit aller Bequemlichkeit die Körner herausholen. — Manche Thiere müssen die Körner, Nüsse etc., wovon sie sich nähren, erst aus ihren Hülsen und Schalen herausbringen, und wissen sich dabei immer so geschickt zu benehmen, als wären sie darauf abgerichtet. — Der Spritzfisch, ein kleiner Fisch mit einem langen röhrenförmigen Schnabel statt des Mundes, hält sich immer an dem Ufer des Meeres auf und lebt von Fliegen und Mücken. Sieht er nun auf einem Staudenblatte oder einem Steine ein solches Thierchen, so schiesst er einen Tropfen Wasser darnach, dass es in’s Wasser herabfällt, und verzehrt es dann. Ausserdem gibt es viele Vögal, die ein unwiderstehlicher Naturtrieb vor An-