— 288 — nach Berlin. Da ist mein Vater immer in die Garnisonkirche gegangen; jetzt ist er todkrank und möchte gern das heilige Abendmahl von dem alten Herrn haben. Kommen Sie doch schnell mit!" Ich zog den Pelz an, nahm die heiligen Gefäße und folgte dem Weibe. Wir kamen an die Spree. „Da wohnen wir, im siebten Kahne. Geben Sie acht, daß Sie nicht fallen." Es war dunkel und glatt; ein schmales Brett war von einem Schiff auf das andere gelegt. Zwischen den Kielen das Wasser in der Tiefe! Ich wußte kaum, wie ich da hinüber kommen sollte. Sie aber zog mich lang¬ sam nach sich, und endlich waren wir am „siebten" Kahne. Wir stiegen hinab; da lag denn in der Schiffskoje, sauber weiß augekleidet, das schwarze Samtmützchen auf dem Kopfe, ein Greis mit unendlich freundlichem Aus¬ druck. Er zog das Mützchen ab uud küßte mir die Hand. Es lag ein langes Leben hinter ihm. In den Freiheitskriegen hatte er mitgekämpft und später viele Meer- und Kanalfahrten gemacht. Von seiner großen Familie war ihm niemand geblieben, als die verwitwete Tochter und ein Enkelkind, die beide am weißgedeckten Tischchen saßen. Als ich die Beichte begann, faltete er die Hände und sprach sie selbst mir vor, noch manches dazusetzend aus seinem Leben, was ihn drückte. Nach dem heiligen Abend¬ mahl lag er still da, die Hände über der Brust gefaltet, ein Bild tiefsten Friedens. Seine Koje war selbst das Schifflein, das eben mit seinem Insassen anlandete an den Usern des ewigen Lebens. Noch einmal küßte er mir dankbar die Hand. Ich stieg hinauf. Draußeu war lautes Leben, die Leute eilten vom Weihnachtsmarkt heim zur Bescherung; in vielen Häusern sah man den Christbaum schon angesteckt -— ich aber dachte an den alten Simeon da unten im Spreekahne und an das schöne Weihnachts¬ geschenk, das ihm bereitet sei, und an den Christbaum droben, dessen Lichter ihm schon entgegenblinkten. — Noch am Abend starb er. Seine Leiche wurde in einen Ziuksarg gethan und verlötet, und im Frühjahr nahm die Tochter den toten Vater mit, daß er ruhe in heimischer Erde. '§ war auch ein heiliger Abend da unten auf der Spree! Emil Frommet. 4. Grablied. \. Geht nun hin und grabt mein Grab! deinen Taus hab' ich vollendet, lege nun den U)anderstab hin, wo alles j^rd'fche endet, lege selbst mich nun hinein in das Bette sonder sstein.