22 13. Das Hafermus. (Nach Hebel.) Kinder, das Hafermus ist fertig, fo koinmt denn und esset! Betet: „Aller Augen" — und gebt mir ordentlich Achtung, daß am rußigen Topf sich keins das Ärmelchen schwarz macht. So, nun esset, und fegn' es euch Gott, und wachst und gedeihet! Seht, es hat die Haserkörnlein der Vater im Frühjahr zwischen die Furche gesäet mit fleißiger Hand und beegget. Aber daß sie gewachsen und zeitig geworden, dafür kann euer Vater hier nicht, das that der Vater im Himmel. Denket nur, Kinder, es schläft ein Keimchen im mehligen Körnlein, klein gestaltet und zart; nicht regt noch rührt sich das Keimchen, nein, es schläft und spricht euch kein Wort und ißt nicht und trinkt nicht, bis es die Furche bedeckt und der aufgelockerte Boden; aber sodann in der Furch' und in der 'befeuchteten Wärme wacht allmählich es ans aus seinem verschwiegenen Schlafe, streckt die Gliederchen aus und sauget am saftigen Körnlein, wie an der Mutter das Kind; es fehlt nur, daß es noch weinte; nach und nach wird's größer und heimlich auch schöner und stärker, schlüpft aus den Windeln heraus und streckt ein Würzelchen abwärts tiefer hinein in den Grund, sich Nahrung suchend und findend. Ja, und der Vorwitz plagt's, neugierig möcht' es auch wissen, wie es nun weiter oben wohl sei. — Gar heimlich und furchtsam guckt's aus dem Boden heraus. — Potz Stern! Ich glaub', es gefällt ihm! — Und der liebe Gott schickt einen Engel hernieder: „Bring ihm ein Tröpfchen Tan und sag ihm freundlich: Willkommen!" Und es trinkt, und es schmeckt ihm so wohl, es streckt sich gewaltig. Aber nun kämmt sich die Sonne, und ist sie gekämmt und gewaschen, tritt mit dem Strickzeug schnell sie hervor dort hinter den Bergen, wandelt daher den Weg hoch an der himmlischen Straße, stricket und schaut herab, wie eine freundliche Mutter nach den Kinderchen sieht. Sie lächelt freundlich dem Keimchen, und es thut ihm so wohl bis tief hinein in das Würzlein. „Solch eine prächtige Frau, und doch so gütig und freundlich!" Aber was sie wohl strickt? Ein Gewölk aus himmlischen Düften! Schon setzt's Tropfen, ein Sprützelchen kommt, jetzt regnet es völlig. Keimlein trinket sich satt; drauf wehet ein Lüftchen und trocknet's, und es sagt: „Nicht kehr' ich zurück jetzt unter den Boden! Nicht um alles! Da bleib' ich und schau', zu was ich noch gut bin!"