67 der Bursche, „aus Furcht weine ich nicht; aber ich habe eine siebzigjährige gichtbrüchige Mutter und eine Schwester, welche durch die Pocken blind ge¬ worden, und diese beide habe ich bisher mit meiner Arbeit ernährt; die jammern mich so sehr." Der Offizier fragte nach, ob dieses sich also ver¬ hielte, und als er es wahr befand, ließ er den Burschen zurück. Nach zween Monaten starb die alte Mutter und kurz darauf die blinde Schwester, und nun, sobald sie begraben waren, ging der junge Bursche zum Regiment und meldete sich. Denn er sprach bei sich selbst: „Nun hält mich keine andere Pflicht ab, meinem König zu dienen, und wenn sich der gute Offizier an mir nicht betrogen findet, so ist er vielleicht gegen andere ebenso gütig, als er gegen mich gewesen ist." Edle Gesinnungen find an keinen Stand gebunden. 47. Es war nicht das meinige. (Caspari.) Im siebenjährigen Kriege wurde einst ein Rittmeister ausgeschickt, um Fütterung für die Pferde zu suchen. In einem einsamen Thäte, wo man keinen Menschen, sondern nur Buschwerk erblickte, ward er endlich einer arm¬ seligen Hütte ansichtig; als er anpochte, trat ein alter Mann mit eisgrauem Kopfe heraus. „Zeigt mir ein Feld, Alter," redete ihn der Offizier an, „wo meine Leute Futter holen können." „Mit nilem Willen," antwortete der Bauer und ging ihnen als Wegweiser voran. Nach einer Viertelstunde etwa trafen sie ein schönes Gerstenfeld. „So, hier ist, was wir suchen," sagte der Rittmeister. — „Geduldet Euch noch ein wenig," erwiderte der Bauer und ging vorüber. Sie folgten ihm und kamen endlich bei einem andern Gerstenfelde an, das aber weit geringer stand als das erste. Nach¬ dem die Reiter das Getreide abgemäht, es ans die Pferde gebunden hatten und wieder weiter reiten wollten, sagte der Rittmeister: „Ihr habt uns ganz unnötigerweise weiter reiten lassen, Alter; das erste Feld war besser als dieses." —- „Kann wohl sein," versetzte der Alte, „aber es war nicht das meinige." 48. Anekdoten von Friedrich dem Großen. 1. Irühaufstehen. Als des Königs Alter und Leibesschwäche zunahmen, begegnete es ihm einigemal, daß er etwas länger schlief, als er sich vorgesetzt hatte; er ärgerte sich darüber und befahl seinem Kammerdiener, ihn nicht länger als bis vier Uhr schlafen zu lassen und ihn, wenn er auch noch so viel kapitnliren würde, mit Gewalt zu wecken. Einst kam ein Bedienter, den der König erst ange- 5*