11 die Häuser heran, um der vorüberfahrenden Artillerie Platz zu bieten. Die Pferde mußten ausgespannt werden, während wir auf den Leiterwagen sitzen blieben. Inzwischen war es Mitternacht geworden; es wurde General¬ marsch geschlagen,- Prinz Friedrich Karl rückte mit seinen in der Stadt befindlichen Truppen aus dann aber wurde es etwas freier auf den Straßen, und wir konnten ans helfen denken. Das Seminar lag voll von verwundeten, und Massen von wagen mit Unglücklichen, die nicht untergebracht werden konnten, standen noch auf den Straßen herum, wir besannen uns nicht, brachen die Kirche auf, da man sie uns nicht gutwillig öffnete, und suchten nun hier die Armen unterzubringen. Zunächst sahen wir uns nach Stroh und sonstigem Material um, woraus wir sie betten konnten. In dem Seminar lagen mehr als lausend verwundete, und eine ebenso große Unzahl mußte die Nacht noch untergebracht werden. Die Kaiserswerther Diakonissen waren bereits im Seminar in Tätigkeit,- meine Ulbertinerinnen aber übernahmen in Gemeinschaft mit den Wiesbadener Diakonen die Pflege der verwundeten in der Kirche,- es war hier kein Plätzchen leer, alle Gänge waren belegt, wir suchten ein Faß wein zu bekommen, und das war das einzige, was wir, mit Wasser vermischt, den armen, erschöpften Menschen geben konnten. Es war eine schreckliche Nacht,- in dieser einen Nacht habe ich mehr als fünfzig Fahre gelebt und gelitten; ich hatte nur eine Kitte zu Gott: um Kraft zum Uusdauern,- mir ahnte, es käme noch Schlimmeres. Meine armen Pflegerinnen waren sehr erschöpft,- ich konnte ihnen nicht einmal etwas bieten, um ihre Kräfte aufzufrischen- denn der letzte Nest von den Mundvorräten, die ich für unsern eigenen Kedarf mit¬ genommen hatte, war in der Nacht aus den Straßen verteilt worden. Ohne irgend etwas genossen zu haben, mußten sie mit mir vom verbinden fort und aus unseren mit Kisten bepackten Leiterwagen weiter nach Metz vor. wir fuhren gegen zwölf Uhr mittags ab. Die Hitze war grenzenlos. Die Kolonnen wirbelten einen Staub auf, daß wir kaum die Augen öffnen konnten. Alle Ortschaften, durch die wir kamen, waren in größter Aufregung,- wir hörten Kanonendonner und sahen Feuerschein, der von brennenden Dörfern herrührte. Um acht Uhr abends erreichten wir eine Unhöhe, wo wir in gerader Linie kaum eine Stunde vom Schlachtfelde entfernt waren, wir vernahmen ganz deutlich das Kleingewehrfeuer und sahen das Aufblitzen der einzelnen Schüsse,- der Himmel war rot vom Feuerschein. Unsere wagen wurden auf ein Feld gefahren, und wir mußten dort eine feuchte, kalte Nacht zubringen. Unser aller hatte sich eine große Verzweiflung bemächtigt, daß wir hier still liegen bleiben mußten, anstatt Hilfe bringen zu können,- auch war es sehr beängstigend, nichts über den Ausgang der Schlacht zu wissen. Einzelne Soldaten, die sich im Getümmel der Schlacht von ihren Truppenteilen getrennt hatten, gesellten sich zu uns, viele darunter leicht verwundet,- — sie brachten keine guten Nachrichten. Da endlich hörten wir Hurra rufen, und nun wußten wir, daß der Sieg für uns entschieden war.