244 Auge erblickte den Mann, der das Kreuz aus den Befreiungskriegen trug. Er ließ halten, und unser Veteran wollte nun, so schnell als seine alten Glieder erlaubten, aus seinem Wagen steigen, um seinen Kaiser zu begrüßen. Der aber rief ihm zu: „Bleiben Sie sitzen! Ich bin der Jüngere und kann zu ihnen kommen.“ Das sprach der achtundachtzigjährige Kaiser von Deutschland. Und er tat es auch, stieg aus und ging zu dem Manne, der voll Freude, Ehrfurcht und Staunen in die Worte ausbrach: „Nun ist das Maß meines Lebens voll, da ich meinen Kaiser gesehen habe.“ Der aber winkte ab und meinte, das sei noch lange nicht nötig, obgleich sie beide unter den vielen Tausenden hier wohl die einzigen seien, die das Eiserne Kreuz von 1813 trügen. „Allerdings,“ fügte Kaiser Wilhelm hinzu, indem er dem Alten herzlich die Hand schüttelte, „werden wir uns wohl auf Erden nicht wiedersehen.“ 173. Kaiser friedricb und die deuticbe Jugend. Von i>ermann ilßüller-Bobn. Die Landjugend. Herausg. von Heinrich Sohnrey. 1. Jahrg. Berlin 1896. S. 66. 1. edle Herz des unvergeßlichen Kaisers Friedrich hat der Jugend AJ immer warm entgegengeschlagen, die Kinderwelt mit ihrer Unschuld und Fröhlichkeit hat ihn immer entzückt. Er konnte kein Kind sehen, ohne es anzulächeln, ohne ihm die Wange zu streicheln, ohne ihm ein paar liebe Worte zu sagen. Wie er selber ein wahrhaft kindliches Gemüt besaß, so verstand er es auch wie selten einer, in den Kinder¬ herzen zu lesen. Deshalb war er aber auch der Abgott der deutschen Kinderwelt; deshalb jubelten ihm ihre Herzen zu, sobald er sich nur sehen ließ. Nie hat ein Fürst der Jugend so nahe gestanden wie er; nie hat irgendeine andere fürstliche Persönlichkeit — ausgenommen die Königin Luise — an den kleinen Freuden und Leiden der Jugend per¬ sönlich so innigen Anteil genommen wie er; nie hat aber deswegen auch die Kinderwelt sich einem Fürsten so vertraulich und unbefangen genaht wie diesem deutschen Königssohn. Die ganze Fülle seiner Liebenswürdigkeit entwickelte der Kaiser, als er noch Kronprinz war, besonders bei den alljährlich im Garten des Neuen Palais bei Potsdam stattfindenden Kinderfesten, zu denen außer der Dorfjugend von Bornstedt gewöhnlich auch die Kinder des Friedrich- Stiftes und der Wadzeckanstalt zu Berlin eingeladen wurden. Die Spielplätze für die kronprinzlichen Kinder waren dann für die Teil¬ nehmer an diesem Feste noch besonders hergerichtet. An verschiedenen Stellen des Gartens erhoben sich hohe Kletterstangen, deren Gipfel mit Fahnen, Taschentüchern, Handschuhen, kleinen Flinten, Portemonnaies,