248 ¿* Bin CodcSritt» Von sßax von La Rccbe. *) Unterhaltungsbeilage der Täglichen Rundschau. Jahrgang 1898. Nr. 52. Berlin. 8. 148. ein hochvornehm ausgestatteter Raum, in welchem wirres Durcheinander herrscht. Zwei schief aufgesteckte, verschieden lauge Wachskerzen erhellen nur mäßig den weiten Saal; besser geschieht dies durch einen auf dem persischen Teppich liegenden Tannenstamm, von dem ein Ende in den Marmorkamin hineinragt und dort in Heller Glut lodert. Funken sprühen und fallen; sie versengen die kostbaren Stoffe des Hausrats. Am Feuer hockt ein Soldat, der von Zeit zu Zeit den Baum weiter in die Flammen vorschiebt; will das Holz nicht gut brennen, so Hilst er mit einem abgebrochenen vergoldeten Stuhlbein nach. Auf den Sofas liegen Schläfer; es find Ofsiziere, gestiefelt und gespornt. Pferdegetrappel ist öfters zu vernehmen. Endlich schlägt die Bronzestanduhr elf. Tie Tür eines Nebenzimmers wird aufgerissen; ein höherer Offizier, der eine Generalstabskarte lose in der linken Hand hält, tritt ein. Es ist der Chef des Stabes; keine Spur von Müdigkeit ist an ihm zu ent¬ decken. Einer der ruhenden Offiziere erwacht, erhebt sich rasch und ver¬ neigt sich vor seinem Vorgesetzten. „Schön, lieber M., daß Sie bei der Hand sind, Sie müssen sofort reiten." — „Eckert! Satteln! — den Said, die Liese ist zu laut!" Der Soldat erhob sich, machte ein klägliches Gesicht und ging. Leiser sprach der Chef: „Der Gegner hat sich zwischen uns und unsere zweite Armee geschoben; die Meldungen bestätigen das überein¬ stimmend. General W. muß unter allen Umstünden schon morgen mit uns gemeinsame Sache machen. Mit Gewalt ist nicht durchzukommen, einem einzelnen Reiter kann es gelingen." — „Ich soll es versuchen?" — „Nein, nicht versuchen! Sie müssen es ausführen, denn das Schicksal der ganzen Armee hängt davon ab." — „Zu Befehl, Herr Oberst! Darf ich gehorsamst bitten, mir das diktieren zu wollen, was ich zu melden habe, es kommt wohl auf den Wortlaut an." Er hatte seine Brieftasche hervorgeholt und hielt den Stift in der Hand. „Geht nicht." — „Herr Oberst, die große Verantwortung . . . ." — „Tragen Sie natürlich!" Der Adjutant steckte die Brieftasche wieder ein. „Was ich Ihnen sage, ist strengstes Geheimnis; niemand darf eingeweiht werden, sonst wird aller Ersolg aufs Spiel gesetzt. Also merken Sie genau!" Im Flüsterton gab der Chef seine Weisung, dabei mit dem Zeigefinger auf die vom Kamin- feuer hell beleuchtete Karte zeigend und die Kriegslage erläuternd. „Haben *) M. v. La Roche nahm 1870 am Kriege teil. Nicht nur seine linke Hand, sondern auch die rechte, die einst die Kapitulationsurkunde von Straßburg abfaßte und mit unterschrieb, ist infolge seiner Kriegsverletzung gänzlich unbrauchbar geworden, so daß er die packenden Schilderungen in „Mundschrift" abfassen mußte.