94 Sechster Zeitraum.
sem Zwecke, damit sie noch einige Tage des Wohllebens ha—
ben möchten, denn sie bekamen reichliche und nährende Kost,
um desto vollblütiger zu sein; meist waren es aber Sclaven,
Gefangene und verurtheilte Verbrecher, welche zu dem blu—
tigen Schauspiele gezwungen wurden. Die Gladiatoren wur—
den von den ordentlichen Fechtmeistern geübt, deren jeder
zuweilen mehrere Hunderte als sein Eigenthum besaß. Sollte
nun dem Vollte ein großes Fechterspiel gegeben werden, wel—
ches entweder an hohen Goͤtterfesten, oder bei Begräbnissen
großer Männer geschah, oder auch wenn eine vornehme
Magistratsperson ihr ÄAmt antrat, und sich bei dem Volke
beliebt machen wollte, so miethete man einem Meister die
Gladiatoren paarweise, oft zu mehrern hundert Paaren ab,
damit sich das Volk an deren Zweikämpfen weiden könnte.
Jedes Fechterpaar mußte sich so lange hauen, bis einer von
beiden sich für überwunden bekannte. Matt und verblutet
lag er dann im Sande, und wenn er nicht flehend eine
Haͤnd ausstreckte, so gab ihm der Sieger noch zuletzt den
Todesstoß. Der Besiegte mußte sich so legen, daß den Zu—
schauern der Anblick des Blutes nicht entginge. Wer heut
siegte, mußte nächstens wieder auftreten, bis ein Stärkerer
über ihn kam. Und dieses mörderische Spiel war den Rö—
mern weder schauerlich, noch einförmig; sie konnten vom
Morgen bis zum Abend bei ihm aushalten, ja sie ließen
sich zu essen und zu trinken ins Amphitheater bringen, um
ja nichts zu versäumen. War ein Fechter besonders geschickt
im Morden, so erscholl ihm sein Bravo nicht minder allge—
mein herab, als wenn bei uns ein Sänger eine Arie schön
vorgetragen hat.
Die Sucht nach solchen Anblicken, die nur ein Römer
Spiele nennen konnte, wuchs bei dem blutdurstigen Volke
von Jahr zu Jahr. Der Pöbel rebellirte, wenn ihm nicht
von Zeit zu Zeit regelmäßig Gladiatorengefechte auf Staats⸗
kosten gegeben wurden, und schrie gewöhnlich: Brod und
Fechterspiele! (Panem et Circenses!) Zuletzt wollte man
nicht mehr bloß einzelne Fechter, sondern ganze Schaaren
auf einmal im Kampfe gegen einander sehen. Es traten da⸗
her gleichsam Heere im Kleinen vor den Zuschauern auf,
bald wie Thessalier, bald wie Gallier, oder in andere krie—