§. 87. Bevölkerungsverhältnisse. 287 (Brescia) und Verona durch dieCenomanen gegründet wurden. Bald erschienen sie auch im Süden des Po, wo besonders die Senonen (Sena Gallica, jetzt Sinigaglia) sich an der Ostküste des Landes ausbreiteten. Der griechischen Colonien in Unteritalien ist schon wiederholt Erwähnung gethan. Die oben aufgezählten Volkselemente waren cs, welche die Römer in langwierigen Kämpfen bis zum Anfange des zweiten finnischen Krieges sich unterwarfen und später durch planmäßig angelegte Colonien auch in der Art mit sich verschmolzen, daß in der Kaiserzeit ganz Italien eine nationale Einheit bildete, höchstens daß in Großgriechenland im Munde der gebildeten das Griechische noch vorgezogen wurde. Da brachte die Völkerwanderung neue Schaaren in das Land, besonders Gothen und Langobarden, die aber in verhältnismäßig so geringer Zahl erschienen, daß sie wohl eine Zeit lang das Land beherrschen, aber die Nationalität des Volkes nicht umprägen konnten. Nur in den Alpen und in den den Alpen benachbarten Landschaften der Lombardei setzte sich eine compacte deutsche Bevölkerung fest. Seit dem späteren Mittel- alter aber haben sich die Italiener jener Gegenden wieder bemächtigt und noch jetzt dringt italienisches Wesen unaufhaltsam in den Alpen nordwärts vor. So ist es gekommen, daß von jener deutsch-lombar¬ dischen Bevölkerung nur noch ein paar kleine Sprachinseln übrig ge¬ blieben sind, die sotto commuiii mit dem Hauptort Afiago, nördlich von Bassano, und die traäeoi communi, nördlich von Verona. Von allem Zusammenhange mit den Germanen abgeschlossen, erhielten sich die Dialekte dieser Berggemeindcn bis auf die neueste Zeit in großer Alterthümlichkeit. Jetzt aber dringt auch hier das Italienische schnell ein und wird bald die letzten Resse deutscher Zunge überfluthet haben. Auch am Südabhange des Monte Rosa, im Quellgebiet der Sesia fin¬ den wir noch einige kleine deutsche Gemeinden. Sie sind von Wallis über den Kamm des Gebirges gestiegen, uni hier etwas Goldbergbau zu treiben. Die Normannenherrschaft in Italien und Sicilicn blieb ohne allen Einfluß aus die Bevölkerung. — Während des ganzen Mittelalters blieb in Italien das Lateinische die Sprache der Literatur, der Kirche, der gebildeten, und daneben entstanden im Munde des Volkes zahlreiche Dialekte, die sich, weil sie nicht durch schriftliche Wiedergabe gefesselt wurden, allmählich sehr weit von einander entfernten. Kaiser Friedrichs II Versuch, den sicilischen Dialekt zur allgemeinen Schriftsprache für Italien zu erheben, mislang, vielleicht deswegen, weil dieser Dialekt eine Menge griechischer Wörter aufgenommen hatte. Dagegen gelang es aber dem Dialekt von Toscana, sich als Schriftsprache Geltung durch ganz Italien zu verschaffen, besonders durch den Umstand, daß eine Reihe ausgezeichneter Schriftsteller (Dante, s- 1321, Petrarca s 1374, Boccacio f 1375) in diesem Dialekte Werke der Poesie und Prosa lieferten, denen kein anderer Dialekt ebenbürtiges gegenüber stellen konnte. Daher kommt cs aber auch, daß das Italienische, in diesen Meister¬ werken crystallisicrt, sich seit jener Zeit kaum weiter entfaltet hat, während