509 38. Die wiedergefundenen Söhne. 1. Was die Schickung schickt, ertrage! Wer ausharret, wird gekrönt. Reichlich weiß sie zu vergelten, Herrlich lohnt sie stillen Sinn. Tapfer ist der Löwensieger, Tapfer ist der Weltbezwinger, Tapfrer, wer sich selbst bezwang. — 2. Placidus, ein edler Feldherr, Reich an Tugend und Verdienst, Beistand war er jedem Armen, Unterdrückten half er auf. Wie er einst den Feind bezwungen, Wie er einst das Reich gerettet, Rettet' er, wer zu ihm floh. 3. Aber ihn verfolgt' das Schicksal, Armuth und der Bösen Neid. „Laß dem Neid uns und der Armuth Still entgehn!" sprach Placidus. „Aus! Laß uns dem Fleiße dienen! Sprach sein Weib: und gute Knaben, Tapfre Knaben! folget uns!" 4. Also gingen sie; im Walde Traf sie eine Räuberschaar, Trennet Vater, Mutter, Kinder. Lange sucht der Held sie auf. „Placidus!" rief eine Stimme Ihm im hochbeherzten Busen, „Dulde dich! du findest sie." 5. Und er kam vor eine Hütte. „Kehre, Wandrer! bei mir ein! Sprach der Landmann, du bist traurig; Aus! und fasse neuen Muth! Wen das Schicksal drückt, den liebt es, Wem's entzieht, dem will's vergelten, Wer die Zeit erharret, siegt." 6. Und er ward des Mannes Gärtner, Dient' ihm unerkannt und treu, Pflegend tief in feinem Herzen Eine bittre Frucht, Geduld. „Placidus!" rief eine Stimme Ihm im tiefbedrängten Busen, „Dulde dich! du findest sie." 7. So verstrichen Jahr' auf Jahre, Bis ein wilder Krieg entsprang. „Wo ist Placidus, mein Feldherr? Sprach der Kaiser, suchet ihn!" Und man sucht' ihn nicht vergebens: Tenn die Prüfzeit war vorüber, Und des Schicksals Stunde schlug. 8. Zween seiner alten Diener Kommen vor der Hütte Thür, Sahn den Gärtner und erkannten An der Narb' ihn im Gesicht, An der Narbe, die dem Feldherrn Statt der Schätze, statt der Lorbeern Einzig blieb als Ehrenmal. 9. Alsobald ward er gerufen; Es erjauchzt das ganze Heer. Vor ihm ging der Feinde Schrecken, Ihm zur Seite Fried' und Ruhm. Stillen Sinn's nahm er den Palmzweig, Gab die Lorbeern seinen Treuen, Seinen Tapfersten im Heer. 10. Als nach ausgefocht'nem Kriege Jetzt der Siegestanz begann, Drängt mit zween seiner Helden Eine Mutter sich hervor: „Vater! nimm hier deine Kinder! Feldherr! sieh hier deine Söhne, Mich, dein Weib, Eugenia! 11. Wie die Löwin ihre Jungen, Jagt' ich sie den Räubern ab. Nachbarlich in dieser Hütte — Komm und schau! — erzog ich sie. Glaubte dich uns längst verloren, Deine Söhne mir statt deiner; Deiner werth erzog ich sie. 12. Als die Post erscholl voni Kriege, Rufend deinen Namen aus, Auferweckt vom Todtentraume, Rüstet' ich die Jünglinge: Zieht, verdienet euren Vater! Streitet unerkannt und werdet, Werdet eures Vaters werth! 13. Und ich seh', sie tragen Kränze, Ehrenkränze dir zum Ruhm, Die du unerkannt den Söhnen, Nicht als Söhnen, zuerkannt. Vater! nimm jetzt deine Kinder! Feldherr! sieh hier deine Söhne Und dein Weib Eugenia!" 14. Was die Schickung schickt, ertrage! Wer ausharret, wird gekrönt. Placidus, der siillgesinnte, Lebet noch in Hymnen jetzt; Christlich wandt' er seinen Namen: Seinen Namen nennt die Kirche Preisend Sanct Eustachius. v. Herder.