Von 1500 bis 1648'n* Chr. 9 chen; den päbstlichen Stuhl und die Kirche als deren Vogt zu schützen, jedoch auf die Concordate zu halten rc. Diese Wahl- capitulation, welche zu einem Reichsgrundgesetze erhoben wurde, mußten alle folgenden Kaiser bis zur Auflösung des Reiches unterzeichnen und beschwören. Indessen hatte ein Mönchsstreit über die Mißbräucke des Ablasses jene große, schon seit Jahrhunderten vorbereitete Bewe¬ gung in der Kirche veranlaßt, welche wir unter dem Namen der N e- formation kennen, und welche die Einheit des christlichen Ge- sammtlebens auf's Neue zerriß. Die immer mehr sich verbreitende Liebe zu den Wissenschaften, die Menge wichtiger Entdeckungen, die glücklichen Erfindungen und die rasche Cirkulation aller Ideen hatten eine allgemeine Wißbegierde er¬ regt; aber mitdieser zugleich auch eine gewisse ungestüme Neugierde und einen unwiderstehlichen Trieb nach Neuerungen erweckt. Dazu fühlte man sich durch die Unwissenheit und Unsittlichkeit vieler Mitglie¬ der des höhern und niedern Clerus, ja selbst einiger Päbste und Cardi¬ näle geärgert; fand, daß auch in dem Cultus oder den äußer¬ lichen Andachtsübungen manche Fehlgriffe, Mißbräuche und aber¬ gläubische Ausartungen eingetreten seien, welche theils durch ihre innerliche Unförmlichkeit, theils durch habsüchtige Rücksichten die Religion entehrten, und war bei der großen Aufgeregtheit der Gemüther um so lieber bereit, das Außcrwesentliche der Religion mit dem Wesentlichen zu vermengen und die Fehler Einzelner ganzen Corporatione» aufzubürden. Es war gegen das Ende des fünfzehnten Jahrhunderts herrschender Ton geworden, die religiösen Mißbräuche zu züchtigen. Gemüther von Ernst und Heftigkeit hörten nicht auf, ihren Zorn in Strafpredigten auszu¬ gießen; und bei leichtern und scherzhafter» Gemüthern sprudelte die Quelle des Witzes und Spottes unversiegbar. Die in den Schulen der Scholastiker unterrichteten Volkslehrer zankten sich nicht selten in den öffentlichen Vorträgen mit ihren nicht anwe¬ senden Gegnern über metaphysische Spitzfindigkeiten, die ihre Zuhörer nicht verstanden, herum; während andere Volkslehrer ungegründete Erzählungen, schiefe Andachtsübungen, ja sogar lächerliche Possen in ihren Vorträgen vorbrachten. Kein Wunder,