220 wandten geworden und wohin sie gekommen. Hilflos und elend stieß man die Unglücklichen im harten Winter in die Fremde hinaus. Was jeder auf dem Leibe trug, das nahm er als einzige Habe mit sich. Ebenso schonungslos verfuhr man im nächsten Frühling bei der Ver¬ treibung der Angesessenen. 200U0 und mehr fleißige und friedsame Salzburger mußten auf diese Weise von ihren geliebten Bergen und Tälern weichen. Alle aber erfuhren die treue Fürsorge ihres Gottes. An 2000 fanden bereits in Bayern bei ihren Glaubensbrüdern Auf¬ nahme, der übrigen aber nahm sich der Preußenkönig Friedrich Wil¬ helm I. in echt evangelischer Treue väterlich und liebreich an. Er sandte ihnen seine Kommissare entgegen mit der Weisung, für Unter¬ halt und Verpflegung der Vertriebenen zu sorgen und sie in sein Land zu geleiten, wo er ihnen in Ostpreußen eine neue Heimat bereiten würde. Schar auf Schar durchzogen nun die Salzburger Emigranten die deutschen Lande, und überall, wohin sie kamen, öffneten sich die Herzen und Hände ihrer Glaubensgenossen, ihre Not zu lin¬ dern und ihre Tränen zu trocknen. Ein gut Teil der vertriebenen Salzburger wanderte auch durch unser Reußenland, und seine Be¬ wohner wetteiferten in dem edlen Bestreben, ihre Liebe den Un¬ glücklichen zu beweisen. Die Stadt Gera berührten im ganzen acht Züge. Es war am 16. April 1732, Mittwoch nach Ostern, da verbreitete sich in unserer Stadt plötzlich das Gerücht, daß gegen Abend an 500 Salzburger hier ankommen würden. Hoch und niedrig geriet durch diese Nachricht in freudige Bewegung, und alle brannten vor Begierde, die Emigranten zu sehen und zu sprechen. Daher machten sich am Nachmittag die meisten der Einwohner auf und gingen den Salz¬ burgern eine gute Strecke durch den Stadtwald entgegen. Es begann bereits zu dunkeln, da sah man endlich die sehnlichst Erwarteten in langem Zuge herannahen. Es waren ihrer an 550, Männer und Frauen nebst vielen Kindern; diese, wie auch die Alten, Lahmen und Kran¬ ken wurden auf Wagen gefahren. Der den Zug begleitende preußische Kommissar war bereits einige Stunden früher in der Stadt angekom¬ men. Kaum hatten die Wanderer die ihnen entgegenkommenden Geraer bemerkt, als sie sich in geordnetem Zuge paarweise aufstellten, die Männer voran, dann die Frauen, zuletzt kamen die Wagen. So¬ bald sich der Zug wieder in Bewegung setzte, stimmten die Salz¬ burger Luthers Kampf- und Siegeslied an: „Ein' feste Burg ist unser Gott“. Mit Tränen in den Augen und die Herzen voll erbarmender Liebe eilten ihnen jetzt die Geraer entgegen und begrüßten sie so herzlich, als empfingen sie liebe, teure Verwandte oder Bekannte. Die Männer schlossen sich den Männern, die Frauen den Frauen an. Viele