134 und soll jetzt auch noch für seinen Schatten vezahlen? Nennt mich selbst einen dreifachen Esel, wenn ich das thue! Der Esel ist einmal für diesen ganzen Tag mein, und ich will mich in seinen Schatten setzen, so oft mir's beliebt, und darin sitzen bleiben, so lange mir's beliebt, darauf könnt ihr euch verlassen!" „Ist das im Ernste euere Meinung?" fragte der andere mit der ganzen Kaltbliitigkeit eines abderitischen Eseltreibers. „Im ganzen Ernste!" versetzte Struthion. „So kommen der Herr nur gleich stehenden Fußes wieder zurück nach Abdera vor die Obrigkeit," sagte jener, „da wollen wir sehen, wer mir ben Schatten meines Esels wider meinen Willen abtrotzen soll!" Der Zahnarzt hatte große Lust, den Eseltreiber durch die Stärke seilles Armes zur Gebühr zu weisell. Schon ballte ev seine Faust zusammen, schon hob sich sein kurzer Arm,' aber als er seinen Mann genauer ins Ailge faßte, fand er es für besser, den erhobellen Arm allmählich wieder sinken zu lassen, und es noch einmal mit gelinderen Vorstellungen zu versuchen. Aber er verlor feinen Atem dabei. Der uilgeschlachte Mellsch bestand darauf, daß er für den Schatteu seines Esels bezahlt sein wollte/ und da Struthion ebenso hartnäckig dabei blieb, nicht bezahlen zu wollen, so war kein anderer Weg übrig, als nach Abdera zurückzukehren und die Sache bei dem Stadtrichter anhängig zu machen. * Der Stadtrichter Philippides, vor welchen alle Händel dieser Art in erster Instanz gebracht werden mußten, war ein Mann von vielen guten Eigenschaften, ein ehrbarer, nüchterner, seinem Amte fleißig vorstehender Mann, der jedermann mit großer Ge¬ duld anhörte, den Leuten freundlichen Bescheid gab und in all¬ gemeinem Rufe stand, daß er unbestechlich sei. Bei allen seinen Verdiensten hatte der gute Philippides den einzigen kleinen Fehler, daß, so oft zwei Parteien vor ihn kamen, ihm allemal diejenige recht zu haben schien, die zuletzt gesprochen hatte. Der Zahnarzt Struthion und der Eseltreiber Anthrax kamen also wie brennend vor diesen würdigen Stadtrichter gelaufen und brachten beide zugleich mit großem Geschrei ihre Klage vor. Er hörte sie mit seiner gewöhnlichen Langmut an, und da sie endlich beide fertig oder des Schreiens inüde waren, zuckte er die Achseln, und der Handel deuchte ihm einer der verworrensten von allen, die ihm jemals vorgekommen. „Wer von euch beiden ist denn eigentlich der Kläger?" fragte er.