135 — 45. Die Gründung1 des neuen Deutschen Reiches. Als am 30. September 1862 der damals neu ernannte preussische Ministerpräsident Otto von Bismarck-Schönhausen in einer Kom¬ mission des Abgeordnetenhauses das Wort sprach: „Nicht durch Reden und Mehrheitsbeschlüsse werden die grossen Fragen der Ze^t entschieden — das ist der Irrtum in den Jahren 1848 und 1849 gewesen —, sondern durch Eisen und Blut,“ da entstand darob nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa grosses Geschrei, und man redete viel von dem „Beginne einer Politik der Gewalt.“ Und doch hätte die Idee der deutschen Einheit noch gar lange eine Idee sein und bleiben können, wenn sich nicht die Macht in ihren Dienst gestellt hätte. Die Macht aber, die Idee zu verwirklichen, war nur bei Preussen. Es hat das Deutsche Reich wieder aufgerichtet; es hat um die deutschen Stämme den neuen Reichsrahmen gelegt, innerhalb dessen der Einheitsprozess sich hat vollziehen können. Klar erkannt zu haben, dass die Zeit für Preussen gekommen wäre, die deutsche Frage zu lösen, das ist das deutsch-nationale und weltgeschichtliche Verdienst des Königs Wilhelm von Preussen, seines ersten Ministers und seiner Feldherrn. Das Drama der Neuschaffung Deutschlands verlief in drei Akten: Schleswig-holsteinischer Krieg von 1864, Preussisch-öster¬ reichischer Krieg von 1866, Deutsch-französischer Krieg von 1870/71. Ein regelrechtes Drama der Weltgeschichte. Mit Not¬ wendigkeit folgte Aufzug auf Aufzug, Scene auf Scene. Die Er¬ oberung und Einverleibung der Elbherzogtümer durch Preussen bezeichnete zur Freude aller denkenden Deutschen den Anfang vom Ende der deutschen Viel- und Kleinstaaten. Die Erfolge der preussischen Waffen im Jahre 1866 beseitigten die unselige öster¬ reichisch - preussische Doppelherrschaft, welche verschwinden musste, wenn aus Deutschland etwas werden sollte. Der Krieg von 1870 endlich bewies, dass die Rechnung falsch gewesen war, auf Grund deren der Franzosenkaiser die Kriegserklärung gegen Deutschland erlassen hatte. Man hatte in den Tuilerien gehofft, die brutale Herausforderung an ein uneiniges Deutschland gerichtet zu haben; aber Nord und Süd, Ost und West, reich und arm, hoch und niedrig, katholisch und protestantisch, alles erhob sich als ein „Volk in Waffen,“ und kein Neid, keine Bosheit vermögen den Ruhmesglanz der Riesenarbeit zu trüben, welche Deutschland binnen sieben Monaten gethan hat. Mit dauernderen Flammen¬ zügen, als sie der Blitz in Felsen schreibt, wird die Geschichte